Das Johann Puch-Museum Graz beruht auf privater Initiative. Das heißt, es ist ein Mosaik vielfältiger Leidenschaften. Dieses bunte Gesamtbild, das stets im Wandel bleibt, hat über die Jahre eine Dauer und Tiefe entfaltet, daß heute private Sponsoren und die öffentliche Hand fördernd mitwirken, damit das Haus in dieser Form bestehen kann.
Diskussion
Anregungen, Einwände, Ergänzungen…
Mobilitätsgeschichte, interdisziplinär
Wie kommt es, daß eine regionale Kulturinitiative aus der Oststeiermark mit dem Johann Puch-Museum in Graz kooperiert? Das liegt am größeren Themenzusammenhang „Mobilitätsgeschichte“. Das liegt auch an Fragestellungen, die sich aus der Befassung mit Netzkultur ergeben; also mit Überlegungen, welchen fruchtbaren Nutzen die Internetstützung für eine Interessensgemeinschaft haben kann.
Kontraste
Das Museum ist kein historisches Institut, sondern eher das, was man einst, als es Museen noch gar nicht gab, eine „Wunderkammer“ nannte. Es ist das Ergebnis sehr kontrastreicher Bemühungen und „Work in Progress“ also ständig in Veränderung.
So ist mir etwa bei der Wiedereröffnung ein hingeschusseltes Foto vom raren Haflinger mit den drei Achsen etwas unscharf geworden. Und seinen ebenso raren Vierzylinder-Boxer von Puch hab ich an dem Tag nimmer zu sehen bekommen, weil ich keine Zeit dazu fand. Blöd! Schon isser weg. Hat den Besitzer gewechselt.
Anderes ist schon früher verschwunden. So zum Beispiel die Karosseriebleche der Prototypen. Wir wissen nicht, ob sie in Privatbesitz landeten oder verschrottet wurden. Aber immerhin gibt es im Museum noch den Motordeckel des U3 [link] zu sehen.
Das ist ein Artefakt der Vergangenheit, auf diesem Foto vor Versatzstücken der Zukunft aufgestellt. Hinter dem Deckel stehen momentan zwei Rohkarossen. Eine des Mercedes-Benz SLS AMG und eine des Aston Martin Rapide, wie sie in Graz bei Magna Steyr erzeugt werden.
Diese Luxusfahrzeuge sind der Anlaß für Entwicklungsschritte, welche später auf Massenprodukte Einfluß nehmen werden. Das hat natürlich nicht mehr mittelbar oder unmittelbar mit Johann Puch zu tun. Die Welt dreht sich stets weiter. Puch ist aber zugleich realer Initiator und auch Symbol für die radikalen Veränderungen, welche unsere Mobilitätsgeschichte im 20. Jahrhundert erfahren hat.
Geschichte. Historie. Vergangenheit. Das Puch-Museum hat seine Freunde und seine Kritiker. Manchmal fällt beides zusammen, denn gerade von Freunden darf man auch begründete Kritik erwarten. Manche hätten gerne, daß alles ganz anders gemacht wäre, ganz anders aussähe.
Das Museum beruht auf privater Initiative, hat öffentliche Hand und Wirtschaft zur Kooperation gewonnen. Es steht jedem Menschen frei, so einen Weg selbst zu gehen, dafür Verbündete zu finden. Sie können hier auf der Website Spuren von Debatten und Kontroversen entdecken, von divergierenden Ansichten, was das Museum können soll und wie es angelegt sein solle.
So ist das ja im besten Fall bei Kulturprojekten, daß sie ein lebhaftes Kräftespiel bleiben, in dem es keineswegs notwendig ist, alle Widersprüche auszuräumen. Außerdem gibt es bei der Bearbeitung der Vergangenheit schlicht ganz verschiedene Wege, die in manchen Aspekten unvereinbar bleiben.
Die vielleicht wichtigste Variable liegt in der stets neuen Entscheidung, ob der Fokus gerade mehr auf das Detail oder auf das größere Ganze gerichtet sein soll. Sammler und Liebhaber lassen sich für gewöhnlich nicht zurufen, welche Schwerpunkte ihre Leidenschaft haben soll. Wissenschaftlich begründete Forschung hat ganz andere Intentionen und Aufgaben.
Das Themen- und Bereichsübergreifende gibt viel her. So war bei den Eröffnungstagen etwa eine zufällige Aufstellung zu sehen, über die man Geschichten schreiben könnte. Ein Mini, ein Haflinger und eine VW Kübelwagen (Typ 181) ergäben interessante Absätze eines Kapitels der Mobilitätsgeschichte nach 1945.
Denken Sie daran: Ihre Geschichten könnten hier in den Lauf der Erzählung einfließen…
— [Überblick] —
Reden, reden, reden…
„Und wenn man das Glück hat mit den Leuten dort ins Reden zu kommen, bekommt man noch einmal eine zweites Museum dazu, über die Geschichten der Mobilitätsentwicklung und über die vielen kleinen Geschichten um die Marke PUCH.“
Was der Techniker Kurt Engeljehringer da in einem Feedback betont hat, beinhaltet eine prächtige Metapher für das, was jene Menschen repräsentieren, die „dabei gewesen“ sind. Es ist gewissermaßen das „Virtuelle Museum“, welches sich aus dem Wissen und den Erzählungen von Zeitzeugen ergibt.
Ich nennen ein Beispiel. Sie werden es vermutlich in keinem Buch gelesen haben, daß vom Ingenieur Harald Sitter, der 1956 bei Steyr-Daimler-Puch an Bord gegangen ist, nicht bloß der hauseigene Pinzgauer-Motor stammt. Sitter zeichnet auch für die zwei Typen der Puch Vierzylinder-Boxermotoren verantwortlich, Typ 750 und Typ 752, von denen nur wenige Einheiten gebaut wurden. Für welches Fahrzeug?
Für den Puch S, den Spider. Naja, das war jetzt leicht, wenn man öfter im Museum ein- und ausgegangen ist. Aber was weiß der Mann so alles zu erzählen, da er in dieser intensiven Zeit Mitarbeiter der Steyr-Daimler-Puch AG gewesen ist?
Engeljehringer betont solche Aspekte, wie sie auch zu den Grundlagen der Oral History gehören, also jener erzählten Geschichte, die im Kopf der Zeitzeugen erhalten ist, wovon dann diverse Quellen und Artefakte eben nicht erzählen: „Das ist allemal interessanter als nur alle Varianten und jemals gebauten PUCH Fahrzeuge zu sehen.“
Ich nehme an, ab da werden nun die Ansichten und Wünsche auseinandergehen. Ich verstehe schon, daß auch Puristen ins Museum kommen, die Klarheit suchen, was historische Fakten angeht. (Denken wir nur die bisherigen Debatten über die Herkunft des „Edegger-Rades“.) Nein, man muß noch gar nicht Purist sein. Es ist ja auch eine Frage der stichhaltigen Deklaration und Beschilderung.
Ich hab an anderer Stelle schon gegenübergestellt: Werksgeschichte oder Zeitgeschichte? Das müßte vielleicht eher heißen: Werksgeschichte und/oder Zeitgeschichte! Sowas hängt dann von a) Intentionen und b) Kapazitäten ab. Also: a) Was möchte ich zeigen und b) Was kann ich mir leisten?
Eines von Engeljehringers zentralen Argumenten wird vermutlich nicht allen zusagen: „Es geht nicht darum, hier eine große Anzahl und Vielfalt von jedem Rad, Moped, Motorrad oder Auto zu sehen. Das interessiert nur die, die sie eh kennen, die brauchen kein Museum. Es geht darum, die Geschichte verständlich zu machen, was PUCH war und was hier in Graz passiert ist, so wie was daraus geworden ist – Erfolgsgeschichten wie der Steirische Autocluster.“
Geschichte verständlich machen!
Ein Plädoyer, nicht bloß einzelne Fakten zu betonen, sondern sich dem größeren Zusammenhang dieser Fakten zu widmen. Damit hab ich jetzt die mögliche „Originalitäts-Debatte“ noch nicht einmal angerissen. Die ist ja sehr interessant und ich bin neugierig, welche Ansichten hier dazu noch erfahrbar werden. (Bitte um Feedback!)
Engeljehringer zur Frage der „verbastelten Fahrzeuge“: „Und zur Geschichte gehören auch nie gebaute Monza-Modelle, die sehr wohl existiert haben. Kennt jemand auch nur einen, der eine Monza hatte und diese nicht umgebaut hat? Ich bin zu der Zeit in die Schule gegangen, leider konnte ich mir keine Monza leisten, aber ich kannte keinen der eine hatte und sie nicht umgebaut hatte. Das ist eben erlebte Geschichte und nicht nur das Verwalten der Historie.“
Ja, dazu wird es wohl auch kontroversielle Ansichten geben.
— [Die Debatte] —
Was? Warum? Wohin?
Eine kleine Übersicht zu einer aktuellen Debatte
Anregungen, Einwände, Ergänzungen, mit der neuen Website erreichen uns auch allerhand Denkanstöße, worum es hier gehen möge und was allenfalls unerwünscht bleibt. Feedback ist willkommen!
+) Warum sammeln? Warum ein Museum?
+) Die Anregung: Wolfgang Votruba
+) In eigener Sache, und zwar persönlich
+) Was kann und soll das Museum?
+) Reden, reden, reden…
— [Diskussionen: Übersicht] —
Was kann und soll das Museum?
Ich nehme an, Wolfgang Votruba, der Obmann des “Steyr-Puch Fahrzeuge Club Erlauftal“, ist ein engagierter Mann, dessen Emotionen am Thema hängen. Ich möchte daher als wohlgemeinten Ratschlag deuten, was wie eine Rüge klingt. Sein Kommentar zu unserer Einladung bezüglich Wiedereröffnung des Grazer Museums bietet neben den harschen Sätzen auch anregende Überlegungen. Die Quelle: [link]
Sein erster Satz läßt mich vermuten, daß vielleicht ein grundlegendes Mißverständnis besteht. „Ich hoffe, dass es im ‚neuen’ Museum nur Originalstücke (Zweiräder) und keine ‚umgebauten, nie existierenden Monza-Modelle’, wie zuletzt, gibt.“
Warum denn nur Originalstücke? Wer, wie ich, 1956 geboren wurde, weiß natürlich, daß wir uns zuerst die Daisies, dann die MC, die M50 Cross und Racing oder was immer wir in die Hände bekamen, umgebaut haben. Wir wollten alte Fahrzeuge „moderner“ aussehen lassen, wir wollten Serienfahrzeuge individualisieren, um einen möglichst unverkennbaren Auftritt zu haben, wir reagierten auch auf Modetrends. Beispiel: MC50 mit „Sternenbanner“- Tankbemalung, Sitzlehne und dickem Hinterrad als Referenz an den Film „Easy Rider“.
Wir wollten in den 1970ern die Mopeds schneller machen oder auf jeden Fall schneller aussehen lassen. Das wird später bei den Youngsters auf Monzas und Cobras kaum anders gewesen sein.
Was soll nun ein Museum zeigen? Zeitgeist und Zeitgeschichte oder Werksgeschichte am Beispiel von Originalfahrzeugen? Beides ist interessant. Suchen Sie in unserer aktuellen Ausstellung jene MC50 II, die originaler nicht sein könnte, da werden Sie staunen. Aber mir würde es auch sehr gefallen, daneben eine „Easy Rider-MC“ zu sehen, denn das ist ein Stück meiner Jugendzeit.
Votruba schreibt:
„Als ‚das’ Steyr Puch Museum und noch dazu an so einem historischen Platz, hat man als Besucher (und vor allem PUCHFAN) eine sehr hohe Erwartungshaltung!“
Das verstehe ich gut. Und würde uns Votrubas Verein auch noch das nötige Millionenbudget beschaffen, es ließe sich ein Stab von Historikern, Kuratoren und Technikern engagieren, es ließen sich auch einige marktkundige Agenten bezahlen, die sich in der Welt laufend umsehen, um Lücken in der Sammlung zu schließen.
So könnte ein Museumsbetrieb nach den Regeln entstehen, wie bei einem Universalmuseum Joanneum [link] oder einem Technischen Museum Wien [link] … inklusive Putztrupps, Hauselektriker, Nachtwächter etc.
Aber wollte das hier eigentlich jemand?
Votruba weiter:
“Das müsste doch auch im Interesse des heutigen Magna Konzern sein, stolz auf die Vergangenheit zu sein. Sichtlich zumindest bisher, vermute ich aber leider das Gegenteil.“
Da liegt offenbar eine Verwechslung vor. Magna Steyr unterstützt dieses Projekt großzügig, aber dies ist kein Werksmuseum von Magna Steyr.
Denken Sie etwa an das Porsche-Museum in Stuttgart, wo eine höchst erfolgreiche Automarke die eigene Geschichte mit einem astronomischen Aufwand würdigt: [link] Das sollte bezüglich Intention und Budget nicht mit einer Privatinitiative wie dem Puch-Museum verwechselt werden.

Ganz und gar nicht oder aber extrem original: Ein Unikat auf Basis von Puch Fahrrad- und Moped-Teilen
Magna baut zwar Autos, ist aber mit keiner eigenen Automarke auf dem Markt präsent, hat also, wie ich annehme, puncto Werksgeschichte andere Prioritäten als etwa Audi, Porsche oder Mercedes-Benz, die sich in ihren Gedenkstätten natürlich konsequent selbst darstellen.
Dort, im Porsche-Museum, bleibt natürlich kein Staub liegen, schon gar nicht in den Waschräumen, dort blitzt alles und ist wohl geordnet, kuratiert, katalogisiert… Das ist etwas völlig anderes als die Halle P des vormaligen Einser-Werkes.
Das Johann Puch-Museum Graz ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Kräfte. Angelpunkt ist ein Trägerverein, der diese Kräfte koordiniert. Doch die Ausstellungsstücke sind nicht im Besitz des Vereins. Sie sind Leihgaben von Liebhabern, Enthusiasten, letztlich auch von Leuten wie Herrn Votruba. Und sie sind Leihgaben von Firmen, wie unter anderem Magna Steyr.
Das bedeutet, im Museum kann nur das gezeigt werden, was diese Liebhaber und Firmen gerade zur Verfügung stellen. Wie angedeutet, wenn das zum Beispiel eine verbastelte Monza ist, dann repräsentiert dieses Artefakt zwar nicht die Werksgeschichte, aber ein Stück Sozialgeschichte und Lebensrealität jener Zeit. Das sind zwei grundverschiedene Themen und Aufgabenstellungen.
So gesehen steht das Johann Puch-Museum eher in der Tradition der „Wunderkammern“ und Privatsammlungen. Die haben freilich eine kulturgeschichtlich weit längere Tradition als jener Museumstyp, in dem kuratiert, geordnet und katalogisiert wird.

Zusätzlich die Aura-Frage: Auf welchem der Artefakte ruhte tatsächlich die Hand des Altmeisters und was lag nur zufällig dort herum?
Das sind also zwei kultur- und sozialgeschichtlich grundverschiedene Konzepte von Depots und Ausstellungen. Das Konzept des Johann Puch-Museums ist das einer permanenten Veränderung entlang aktueller Debatten und Leidenschaften, entlang verfügbarer Preziosen und Liebhaberstücke.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Dieser Tage hatte ich eine sehr anregende Plauderei mit dem Techniker Kurt Engeljehringer, der bei AVL List im Bereich der Schadstoffreduktion tätig ist. Er besitzt einen Ford Model T.
Ich fragte ihn, ob die „Tin Lizzy“ gemeinsam mit der Puch Voiturette gezeigt werden könnte, damit anschaulich würde, welche Entwicklung die Automobilkonstruktion in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm, wenn genau NICHT bestehende Kutschen motorisiert, sondern „artgerechte“ Fahrwerke entwickelt wurden.

Gemeinderat Peter Piffl-Perčević (links) und Techniker Kurt Engeljehringer bei einer Debatte von Provenienzfragen
Engeljehringer stimmte zu und ich werde ihn jetzt gewiß nicht fragen, ob sein Ford völlig unverbastelt ist, denn dieser Aspekt interessiert mich für das spezielle Vorhaben nicht. Wenn es also im Museum zu dieser konkreten Zusammenschau kommen wird, wendet sich das nicht primär an Puristen.
Aber mir leuchtet natürlich ein, insgesamt verstehe ich die Votruba-Vorhaltungen vor allem als Empfehlung, sich beim Beschildern der Ausstellungsstücke um möglichste Stichhaltigkeit zu bemühen. Und das darf vom Publikum selbstverständlich erwartet werden.
— [Die Debatte] —
In eigener Sache, und zwar persönlich
Werte Damen und Herren!
Ich habe genau am 9. Juni 2012 begonnen, mich ehrenamtlich für das weitere Gedeihen des „Puch-Museums“ zu engagieren. Mein Beitrag ist bescheiden, ich hab die neue Website aufgebaut und betreue sie redaktionell.
In diesen wenigen Wochen meiner Befassung mit dem Haus habe ich kuriose Erfahrungen gemacht. Die angenehmen darunter handeln von erfahrenen Leuten, die teilweise ein Stück Werksgeschichte repräsentieren, die einerseits ihr unbezahlbares Wissen einbringen, die andrerseits Hand anlegen, damit am neuen Standort alles in der verfügbaren Zeit möglichst gut wird.

Zeitzeuge Franz Tantscher brachte nicht nur die 1906er Voiturette wieder zum Laufen, er nimmt auch einfachere Arbeiten sehr ernst.
Ich nenne ein Beispiel, damit verstanden wird, was ich meine. Wie viele Tage sah ich nun Franz Tantscher, der immerhin Mechaniker von Motocross-Weltmeister Harry Everts gewesen ist, still und unerbittlich zupacken, bis hin zum Umtopfen von Pflanzen. Der redet nicht viel, der macht.
Ich bin selber kein kleiner Rotzbub mehr und mag dennoch mit Respekt auf ihn blicken, seine Haltung auch als eine vorbildhafte sehen. Oder ich denke an Ferdinand „Fredi“ Thaler, der unter anderem Ortners Copilot in Monte Carlo gewesen ist und der seinerzeit Gelegenheit hatte, Werksdirektor Ledwinka auf der Teststrecke fast in hohem Bogen aus dem Haflinger zu schmeißen. Der Mann ist mir in seinem Entgegenkommen eine große Hilfe, am Thema Puch zu arbeiten.
Dann gibt es aus dieser kurzen Zeit meines jungen Engagements noch ganz andere Erfahrungen. Ich muß mich davon nicht gemeint fühlen, ich muß auch am Museum keine „Konfliktbewältigung“ anstrengen, denn offenbar waren da Konflikte, aber die gehen mich nichts an und niemand hat mich zum Revisor berufen.
Dennoch, ich sage es ganz offen, fühle ich mich brüskiert von so mancher Mitteilung, die mich als Sekretär erreicht. Ich habe höflich zu bleiben, weil das Haus nicht meine private Bude ist, doch ich möchte einige Dinge nicht einfach so im Raum stehen lassen.
Es war die aktuelle Botschaft von Wolfgang Votruba, dem Obmann des “Steyr-Puch Fahrzeuge Club Erlauftal“ [link], die mich zu dieser Stellungnahme bewegt. In meiner Welt spreche ich jemanden, dem ich etwas vorzuhalten habe, zuallererst einmal unter vier Augen an: „Mein Lieber, mir paßt da etwas ganz und gar nicht. Können wir darüber reden?“
Wenn also jemand so deftige Schelte, wie die von Votruba, nicht in den Postkasten wirft, sondern öffentlich an eine Tür nagelt, hier also noch dazu an die Einladung zur Neueröffnung des Museums heftet, dann ist das nicht bloß eine Sachverhaltsdarstellung. Der Mann will in seiner deutlichen Geste allgemein gehört und gesehen werden. Es geht demnach nicht bloß um Sachfragen, das ist evident, da hat jemand ein Hühnchen zu rupfen
Sie können Votrubas Vorhaltungen hier nachlesen: [link]
Ich werde jetzt natürlich nicht hergehen und seine Post entkräften wollen. Das wäre lächerlich. Ich denke, sie enthält ja auch Vorschläge, deren Beachtung sinnvoll ist. Außerdem respektiere ich die Meinung Andersdenkender und begrüße die aktuelle Mediensituation, in der man sich leicht zu Dingen äußern kann, wo man etwa auf solche Art gehört werden kann.
Ich werde so frei sein, in einem eigenen Text ein paar Denkanstanstöße zum Thema „Puch-Museum“ vorzulegen. Es würde mich freuen, Ihre Meinung dazu kennenzulernen. Nutzen Sie bitte die Feeback-Funktion auf der Website, wie sie Votruba genutzt hat. Vor allem dort, wo es dann auch wieder sachlich werden kann, wird das Haus davon profitieren.
Martin Krusche
(Sekretär)
— [Die Debatte] —
Warum sammeln? Warum ein Museum?
Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, läßt sich schwer klären, wer wir sind. Wenn wir nicht wissen, wer wir sind, bleibt reichlich unscharf, wohin es gehen soll. Zugegeben, das Puch-Museum ist keine philosophische Fakultät, also werde ich derlei Überlegungen nun auf einen Teilaspekt hinführen, der im Hause greifbar ist.
In „Was das Pucherl bedeutet“ [link] habe ich schon knapp skizziert, daß das Automobil diese Gesellschaft völlig verändert hat. Grundlegend! Es ist nicht bloß Gebrauchsgegenstand, sondern auch Fetisch. (Unter Fetisch versteht man einen toten Gegenstand, der von Menschen mit besonderer Bedeutung aufgeladen wird.)
Das Auto hat technische und soziokulturelle Vorbedingungen, die sehr wesentlich in der Fahrradwelt zu finden sind, aber auch in ganz anderen Bereichen, wie etwa der Produktion von Schreibmaschinen und Nähmaschinen. Know how, Materialkenntnis, Mobilitätserfahrungen, Findigkeit in Produktionsweisen…
Das bedeutet, in recht kurzer Zeit, in rund 150 Jahren, haben wir technisch, wirtschaftlich und kulturell höchst komplexe gesellschaftliche Veränderungsprozesse durchlaufen, wie sie in jener Dichte und Geschwindigkeit vollkommen neu waren. Das brachte auch eine weitreichende Beschleunigung unser aller Leben mit sich, die teilweise höchst fatale Konsequenzen hat.
Wir wissen längst, daß eine Gesellschaft WISSEN und KOMPETENZEN sehr leicht verlieren kann, wenn man manche Dinge gerade nicht braucht und wenn man sich um erworbene Kenntnisse nicht kümmert. Daß wir solchen Fragen auch begegnen, indem wir Sammlungen anlegen, uns Museen leisten, ist ein kulturgeschichtlich sehr junges Phänomen.
Was einst die Wunderkammern und Privatsammlungen der „alten Eliten“ waren, ist der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen. Mit Frankreichs Louvre [link] im 18. Jahrhundert, mit dem steirischen Joanneum (heute: Universalmuseum Joanneum) [link] im frühen 19. Jahrhundert kennen wir zwei sehr markante Beispiele, wie einerseits altes Wissen geordnet und gepflegt, andrerseits neues Wissen beschafft und archiviert wird.
Wissensgewinn und -erhalt braucht ohne Zweifel Institutionen. Aber das sind sehr kostenintensive Projekte. Daher stehen sie auch permanent zur Debatte und werden gelegentlich massiv angefochten. Brauchen wir das alles? Soll es so oder so gemacht werden? Wer muß und wer kann das bezahlen? Wie können Hauptamt und Ehrenamt fruchtbar kombiniert werden? Was hat der Staat zu leisten und wofür hat sich die Zivilgesellschaft zuständig zu fühlen?
Sie sehen, zur laufenden Arbeit am Bestand des Museums kommen auch stets derlei grundlegende Fragen. Was meinen Sie dazu?