Das Zweier-Werk

Viele sagen einfach: Puchwerk. Wer sich etwas besser auskennt, weiß das Einser-Werk und das Zweier-Werk zu unterscheiden. Heroben und unten. Das Stammwerk und das Werk Thondorf. Heute gehört das alles Magna Steyr, aber die Wegweiser auf der Autobahn nennen Richtung Thondorf immer noch das Puchwerk.

Verleger Herbert Weishaupt (links) bei

Verleger Herbert Weishaupt (links) bei Mythos Puch IV im Gespräch mit Wissenschafter Hermann Maurer


Diese Zusammenhänge handeln nicht nur von Industriegeschichte, es liegt auch ein Stück steirischen Identität darin. Nun gibt es endlich ein Buch, in dem diese Geschichte detailliert dargestellt ist, denn bisher waren einige Standardwerke vor allem den Fahrzeugen gewidmet.

Wir hatten bei Mythos Puch IV in Wetzawinkel Gelegenheit, das Buch durchzusehen. Verleger Herbert Weishaupt hatte die Neuerscheinung persönlich vorbeigebracht. Autor Erich Mayer ist ein Insider. Er war bis zu seiner Pensionierung Personalchef des Betriebs. Zur eigenen Sachkenntnis kommt bei ihm ein gutes Netzwerk und der Zugriff auf allerhand Archivalien.

So entstand ein für Puch-Fans unverzichtbares Werk mit solidem Überblick der Werksgeschichte von Altmeister Johann Puch bis zum „Detroit der Alpen“ (1998 – 2017). Diese Gesamtschau ist sehr anregend. Aber zwei Aspekte des Historie sind besonders zu betonen.

Einerseits ist das Zweierwerk als Rüstungsbetrieb für den Krieg der Nazi errichtet worden, also logischerweise unter anderem mit dem Einsatz von Arbeitssklaven gelaufen. Daran gibt es nichts zu kaschieren oder zu verschweigen. Die gesamte Industrie war damals der Kriegsmaschinerie verpflichtet. Mayer legt das rund um ein Kapitel „Arbeitskräftemangel und Zwangsarbeit“ dar.

Andrerseits ist der Verkauf des Zweiradsektors nach Italien, wie er in den 1980ern abgewickelt wurde, bis heute Gegenstand von blühenden Verschwörungstheorien. Diese teilweise skurrilen Annahmen ignorieren völlig, wie Industrie seit James Watt funktioniert. Mayer macht nachvollziehbar, in welchen Kräftespielen diese Sparte aus dem Puchwerk ausgeschieden wurde.

Die Steyr-Daimler-Puch AG wird in der Wissenschaft als „österreichischer Gedächtnisort“ gewertet, so etwa vom Historiker und Soziologen André Pfoertner. Bei diesem Begriff geht es um Fragen nach dem kollektiven Gedächtnis, nach Nationenbildung und Identität.

Mayer macht das anschaulich, hat in seinem Buch vieles zusammengefaßt, was bisher auf verschiedenen Publikationen verteilt war, hat dieses Material aufgearbeitet und aus Quellen ergänzt, die bisher nicht den Weg in die Öffentlichkeit fanden.

Erich Mayer
PUCH. Werk II – im Wandel der Zeit (Eine steirische Industriegeschichte)
280 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Weishaupt Verlag
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2017nov24_thondorf

 

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Martin Krusche, Künstler, siehe: [link]