Museen, Sammlungen, Kompetenzen

Wir sind Teil eines kulturellen Feldes, auf dem sich private Initiativen und staatliche Einrichtungen eine aufregende Mission teilen. Auch engagierte Alleingänge von Privatpersonen und dörfliche Anstrengungen tragen etwas dazu bei.

14mai24_johann_puch_museumWir erzählen einander wer wir sind, indem wir betrachten was wir können und was wir gemacht haben, indem wir zeigen, was daraus geworden ist.

Das „gemacht“ versteht sich in beiderlei Sinn von „Das Herstellen“ und „Das Tun“. Die ganze Geschichte handelt nicht bloß von Gegenständen, sondern auch von Kompetenzen, von Kenntnissen über Vorgänge, Abläufe und Zusammenhänge.

Unser Haus ist selbst ein markantes Beispiel für diesen Aspekt, denn was uns anvertraut wurde und was wir zeigen können, ist teilweise von Menschen hergestellt worden, die noch unter uns weilen. Sehr vieles was diese Menschen gesehen haben und wissen, ist nirgends dokumentiert, wurde bis heute nicht aufgeschrieben.

So ist das Museum ein Umschlagplatz für altes Wissen geworden, ein Scharnier für Ereignisse, in denen dieses Wissen greifbar wird. Dabei liegt es nahe, daß wir mit anderen Häusern und Initiativen Kontakt halten, die sich ebenfalls solchen Zusammenhängen verschrieben haben.

Bei uns – das Museum besteht seit 2003 – begann das im Jahr 2012 auf eine neue Art. Die Sammlung übersiedelte in die letzte authentische Halle des Einserwerkes von Johann Puch, in ein Gebäude, das nun über hundert Jahre alt ist.

Noch bevor der neue Museumsstandort offiziell eröffnet wurde, fand auf diesem Boden eine Buchpräsentation statt, die der Geschichte des bedeutenden österreichischen Mischkonzerns, der Stey-Daimler-Puch AG, gewidmet war.

Ab da folgte eine konsequente Arbeit an den Möglichkeiten kultureller Aktivitäten, um das Museum zu einem Haus der Mobilitätsgeschichte zu machen, das seinen geschichtsträchtigen Standort, über die technischen Themenstellungen weit hinaus, zu anderen Teilthemen hin zu verzweigt.

Genau das legt längst nahe, unserem Publikum den Weg zu anderen Museen und Sammlungen zu weisen, Hinweise zu geben, wo sonst noch Kompetenzen gebündelt werden. In Summe geht es um ein spezielles größeres Bild.

Wenn wir heuer des hundertsten Todestages von Johann Puch gedenken, rückt das auch sein Geburtsjahr 1862 ins Blickfeld. Und zwar deshalb, weil das die Zeit war, in der das sogenannte „Hochrad“ Furore gemacht hatte, um sich schließlich zum wesentlich sichereren und dann preiswerten „Niederrad“ zu entwickeln, mit dem Puch zum Unernehmer wurde.

Dieser Fahrzeugtyp leitete eine soziale Revolution ein, indem er eine vollkommen neue Art individueller Mobilität auf breiter Basis ermöglichte. Die Entwicklung führte nicht nur zur Massenmotorisierung in unserem Land, welche sie nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltet.

So gut wie alle Lebensbereiche wurden davon berührt, auch beeinflußt. Das sind also aufregende eineinhalb Jahrhunderte, in denen sich unsere Rollen als Bürgerinnen und Bürger im Staat vollkommen wandelten.

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Fahrräder, Motorräder, Automobile und was darum alles interessant ist, das handelt von der Arbeitswelt. Das handelt aber auch von Freizeit und von einer Freizeitindustrie, die es zu Lebzeiten von Altmeister Puch noch nicht gegeben hat.

In diesem Spannungsverhältnis hat sich etwas ausgeformt, was so in der „Hochkultur“ nicht vorkommt; wobei „Hochkultur“ ein Begriff aus meinen Kindertagen ist, der sich inzwischen eigentlich erledigt hat. Bei genauerem Hinsehen kann man feststellen, daß wir im Puch-Museum an einer Themenstellung arbeiten, die in der Tradition dessen steht, was früher „Volkskultur“ genannt wurde, eben im Kontrast zur „Hochkultur“.

Die Identitätskonstruktionen in der Spätmoderne haben sich in der Populärkultur, genauer: Pop-Kultur, der Nachkriegszeit auf eine völlig neue Art ereignet. Wir beginnen erst zu klären, was wir selbst in der Massenkultur ab den 1930er-Jahren geworden sind.

Das ereignet sich nicht bloß mit rationalem Denken. Wir alle pflegen auch ein visuelles Denken, das sich etwa im Betrachten von Artefakten aus dieser und jener Ära Anregungen holt, um dann auch einen Ort zu haben, wo man sich mit sachkundigen Menschen über seine Gedanken verständigen kann. Deshalb geht es hier um Museen, Sammlungen, Kompetenzen…

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Martin Krusche, Künstler, siehe: [link]