Austro-Daimler

Nach Westen, Süden und zurück…

Ich hab mir für meine kleine Landpartie den Staatsfeiertag ausgesucht, weil ich lieber über die Dörfer denn auf der Autobahn fahre. So konnte ich mit einer milden Verkehrssituation rechnen und habe strahlendes Wetter als Draufgabe erhalten. Sehr komfortabel!

Anja Weisi-Michelitsch, Kuratorin des Feuerwehrmuseums

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Kulturreferat: Hintergründe

Schreibt man „Das Pucherl“ amtlich aus, dann steht da plötzlich „Steyr-Puch 500 Mod. Fiat“, erzeugt von der Steyr-Daimler-Puch AG. Da kommen jetzt gleich vier Automarken vor. Wieso denn? Und ist Daimler nicht irgendwie ein Jaguar? Und ist Steyr nicht ein Traktor?

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Das Pucherl ein Fiat-Klon?

Diese Vorstellung taucht gelegentlich auf. Nein, das Pucherl ist kein Fiat-Klon, auch kein Lizenz-Fiat, keine Kopie. So viel Trennschärfe muß sein. Sonst weiß man nicht, womit man es zu tun hat.

Es ist eine Fülle an Eigenheiten des Grazer Kleinwagens, die einen markanten Unterschied ausmachen; und sei es bloß, daß der Puch — dank flachem Boxer (und hinten erhöhtem Blechdach) — ein Viersitzer ist, der Fiat mit seinem stehenden Reihenmotor dagegen ein Zweisitzer.

Der Fiat ist, im Unterschied zum Puch, ein Zweisitzer (Quelle: Helix84, GNU-Lizenz)

Aber auch wenn manche das gerne ein wenig durcheinander bringen, ist da kein Grund zu Abschätzigkeit oder gar zu Ressentiments. Im Gegenteil!

Erstens war Fiat über weite Strecken ein guter Kooperationspartner und Steyr Fiat wie auch etliche Nutzfahrzeuge, ich meine OM, also Lizenzversionen der Societa Anonime Officine Meccaniche in Mailand, beachtliche Fahrzeuge. Zweitens hat Fiat auch in der jüngeren Vergangenheit noch gerne auf Grazer Allrad-Know how zurückgegriffen.

Der OM Lupetto ("Wölfchen") wurde in Lizenz in Steyr gebaut

Drittens, und das ist mir eigentlich der wichtigste Grund, war Dante Giacosa ein bedeutender Ingenieur, der mit seinen Leuten eine Reihe großartiger Autos entwickelt hat. Ich finde, die exzellenten Handweker und die vorzüglichen Ingenieure verdienen Respekt. Da bleibt kein Platz für die Animositäten, die sich einzelne Fans gegenüber dieser und jener Marke leisten.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Die Pucherl haben natürlich Karosseriebleche von Fiat bezogen, sie wurden gegen Ende ihrer Geschichte aus finaziellen Gründen stark „fiatisiert“, das heißt, teure Grazer Komponenten entfielen teilweise, um die Produktionskosten in den Griff zu bekommen.

Der Schlußpunkt ist überdies im kantigen 126er überaus südlich gesetzt. Aber im Kern der Geschichte ist das Pucherl ein Produkt aus Graz und was immer man an diesem Auto loben mag, wenn man über seine Blütezeit spricht, wurde in Graz auf den Punkt gebracht.

Naja, nicht so ganz, denn Zeitzeugen erzählen, daß es gelegentlich auch noch Inputs von Erich Ledwinkas Vater Hans gegeben habe, wenn sich etwa ein Motorenproblem als hartnäckig erwiesen hat.

Aber das spiegelt andrerseits wieder, was im Automobilbau seit jeher üblich ist; vorzügliche Ingenieure verlassen Firmen und Länder, um sich andernorts neue Möglichkeiten zu erschließen. Automobile haben oft in Details Einflüsse aus ganz anderen Quellen.

Das Schnittmodell macht die grundlegend andere Raumsituation im Pucherl deutlich

Austro-Daimler, Steyr und Puch waren über ihre Fahrzeuge und deren Schöpfer an diesen und jenen Stellen stets auch mit anderen Firmen symbolisch verbunden, etwa Laurin & Klement, Skoda etc.; und zwar durch die Handwerker sowie die Ingenieure, die da abgeworben wurden, die dort das Handtuch schmissen…

Ferdinand Porsche war ein exponiertes Beispiel für einen Wuthupf, der die Finanzabteilung eines Konzerns überfordern konnte und alles hinter sich ließ, wenn man seinen Ideen keine ausreichenden Rahmenbedingungen bot. Heute ist es ja auch nicht anders…

— [Fahrzeuge] —

Fahrzeug: Puch Voiturette von 1906

Das allererste Automobil von Johann Puch, die Voiturette von 1900, habe ich hier schon gezeigt; auf der einleitenden Seite zum Altmeister: [link] Es war eine zarte, eigenständige Konstruktion von erstaunlicher Leistungskraft.

Die Puch Voiturette von 1906

Wenige Jahre danach hatte sich Puch als Automobilproduzent auf dem Markt etabliert. Ein Fahrzeug aus jenen Tagen ist heute im Besitz von Magna Steyr und wird auch immer wieder im Museum gezeigt. Ein rares Stück.

Zur Erläuterung für jene, denen die Hintergründe nicht ganz geläufig sind: Im Verlauf eines ganzen Jahrhunderts hat es ein bewegtes Kräftespiel in der Automobilbranche gegeben. Was mit drei eigenständigen Firmen begann, nämlich mit Steyr, Austro-Daimler und Puch, mündete nach Jahrzehnten in die Steyr-Daimler-Puch AG, die schließlich von Magna übernommen wurde. Magna Steyr repräsentiert die Kontinuität und Gegenwart dieser lebhaften Geschichte.

Die (1907er) Basis der Voiturette

Während die Voiturette von 1900 ein Unikat war, baute Puch kurz darauf in Kleinserien. Ich habe in der „Allgemeinen Automobil-Zeitung“ vom März 1907 die Abbildung eines Chassis entdecket, das dort aufrecht auf der Nase stehend gezeigt wird. (Hier hab ich das Bild um 190 Grad gekippt.)

Man erkennt sehr gut dieses grundlegende Layout, das noch Jahrzehnte dominieren sollte und in klarer Distanz zu motorisierten Kutschen stand. Das moderne Automobil war in seinen Grundzügen also damals schon präsent. Hier nicht die Entwickung eines Ingenieuers, der sein Diplom in der Tasche hatte, sondern eines hochbegabten und unermüdlichen Handwerkers.

— [Fahrzeuge] —

Was das Pucherl bedeutet

Was separat als Austro-Daimler, Steyr und Puch begann, entfaltete über rund ein Jahrhundert eine sehr komplexe Geschichte der Verflechtungen, Erweiterungen, Fusionen, Auflösungen, Umgestaltungen. Das moderne Automobil ist seit etwa 1900 da und zeigte sich in vielen Variationen. Heute repräsentiert Magna Steyr diese Konzerngeschichte.

Ein Bild aus dem Jahr 1910. Fließbandproduktion gab es bei uns erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch Johann Puch trat in jenem Jahr 1900 erstmals als Automobilbauer auf die Bühne der Wirtschaft: [link] Das war kein Probieren und Herumstümpern, sondern der zielgerichtete Start zu einer eigenen Erfolgsgeschichte. Fünf, sechs Jahre später ist die Sache vorzüglich in Schuß, die Voiturette aus jener Zeit ist ein Meilenstein österreichischer Mobilitätsgeschichte. 1910 ist Puch ein Automobilproduzent, den die Konkurrenz quer durch Europa ernst nehmen muß.

So wurden 1910 Autos gebaut.

Nach seinem Tod erschüttert der Erste Weltkrieg den Kontinent, das Puchwerk ist vor allem im Lastwagenbau gefordert. In der Zwischenkriegszeit herrscht allerhand Not, außerdem ist die Mittelschicht weitgehend finanziell ruiniert (Kriegsanleihen etc.). Das heißt, der Automobilismus findet noch kein Massenpublikum.

Der Altmeister erlebte diese Zeit nicht mehr: Ein Inserta von 1916.

Das hat sich auch in den 1930er- und 1940er-Jahren nicht geändert. Was da an Autos auf unseren Straßen fuhr, ist zum geringsten Teil in persönlichem Privatbesitz gewesen, es dominierten Firmen- und Behördenfahrzeuge.

Erst nach 1945 setzt sich in Europa die Fließbandproduktion durch und kommen Auto-Konstruktionen auf den Markt, die eine preiswerte Massenfertigung möglich machen. Dadurch beginnt jene Massenmotorisierung, welche dem „Puch-Schammerl“ seinen besonderen Stellenwert gibt. Endlich konnten sich Leute ein „richtiges Auto“ leisten, die davor nicht einmal träumen durften, einen eigenen Wagen zu besitzen.

Was in den 1960ern solides Familienfahrzeug war, wurde oft in den 1970ern von jungen Leuten als gebrauchtes Erstauto gesucht und verlor dabei auch leicht die Originallackierung.

In den 1970ern, als jemand wie ich den ersehnten Führerschein in Händen hielt, waren die Pucherln als preiswerte Gebrauchtwagen zu haben. Da hatte ich zuvor aber schon auf Fahrrädern und Mopeds von Puch erlebt, was man an individueller Mobilität schätzen konnte. So steht das Pucherl zeitlich, technisch, ökonomisch und emotional an der Schwelle einer „Automobilgesellschaft“, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte.