Einser-Werk

Mobilitätsgeschichte, Gegenwart und Zukunft

Das Jubiläumsjahr neigt sich seinem Ende zu. Es ist heuer der 150. Geburtstag von Johann Puch zu feiern gewesen. Die österreichische Post hat das mit einer Sondermarke gewürdigt, welche im Museum präsentiert wurde. Wir sind zu all dem heuer in die letzte aus Puchs Zeit erhaltene Halle des historischen „Einser-Werkes“ gezogen.

Musuemsleiter Karlheinz Rathkolb bei der Projektbesprechung "Mobilitätsgeschichte" (Vor ihm das Holzmodell des verschollenen Prototypen U3)

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Das Johann Puch-Museum heute

Das Johann Puch-Museum Graz beruht auf privater Initiative. Das heißt, es ist ein Mosaik vielfältiger Leidenschaften. Dieses bunte Gesamtbild, das stets im Wandel bleibt, hat über die Jahre eine Dauer und Tiefe entfaltet, daß heute private Sponsoren und die öffentliche Hand fördernd mitwirken, damit das Haus in dieser Form bestehen kann.

Wir zeigen Originale und Miniaturen, Massenprodukte und Einzelstücke

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Generationentreffen: Schöckl

Der Schöckl, nahe Graz, war schon zu Zeiten von Altmeister Johann Puch ein Kriterium für die Brauchbarkeit von Automobilen. Er birgt bis heute eine Teststrecke der vormaligen Steyr-Daimler-Puch AG. Das basiert auf einer früheren Vereinbarung mit dem Hause Stubenberg, einst altem steirischem Adel, der sehr wahrscheinlich aus Kapfenberg stammt, was in jüngerer Zeit ein wichtiger steirische Industrieort war.

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Eröffnung

Die Eröffnung, genauer: Wiedereröffnung des Museums an seinem neuen Standort, war Teil eines mehrtägigen Veranstaltungsensembles.

+) Aviso

Feiertag: 30. Juni 2012
+) Die formelle Eröffnung
+) Glosse: Alles beginnt erst
+) Kräftespiele
+) Kontraste

Trainingstag: 1. Juli 2012
+) Spritztour
+) Aquaplaning
+) Sommerliche Rutschpartie

Vorlauf: 60 Jahre Puch-Roller: [link]
Vorlauf: Sonderpostamt: [link]

Die formelle Eröffnung

30. Juni 2012: Die Wiedereröffnung des Grazer Johann Puch-Museums am neuen Standort, der denkmalgeschützten „Halle P“ des vormaligen Einser-Werkes, brachte etliche altgediente Puchianer, Männer wie Frauen, auf dem historischen Terrain zusammen.

Auch Funktionstragende der Kommunalpolitik fanden sich ein, um diesen Zwischenstand zu begutachten. Zwischenstand deshalb, weil das Museum aufgrund seiner Konzeption work in progress ist, also in steter Veränderung begriffen.

Das ovale Frontemblem weist den Steyr-Puch 500 der ersten Produktionsphase aus

Als ein Ort, an dem unsere Mobilitätsgeschichte verhandelt und gezeigt wird, würdigt es zwar den Genius loci, Altmeister Johann Puch, geht aber weit über sein Tun hinaus. So reicht die Schau von frühen Fahrrädern über erste Automobile zu zukunftsweisenden Prototypen und Unikaten, beinhaltet aber auch Elemente von Raumfahrzeugen, die ins All deuten, also über den Planeten hinaus.

Dieses Projekt ist keine staatliche Einrichtung mit Kuratoren, wissenschaftlichem Personal, Haustechniker und Putzmannschaft. Es ist „Bottom up“ entstanden, von der Basis engagierter Bürgerinnen und Bürger her; nicht wenige davon früher im Puchwerk, genauer: bei der Steyr-Daimler-Puch AG tätig.

Ein großer Teil der gezeigten Objekte stammt aus privatem Besitz, einige der Leihgaben kommen von Betrieben, einschlägigen Unternehmen.

Von links: Gerhard Stiegler, Karlheinz Rathkolb und Peter Piffl-Perčević

Das Trio im Kreis all der Leute, welche dieses Museum möglich gemacht haben, symbolisiert den Modus. Karlheinz Rathkolb (Mitte) repräsentiert den privaten Verein, der Träger des Museums ist. MAGNA-Vorstand Gerhard Stiegler (links) steht für Wirtschaftstreibende, deren Sponsorleistungen den laufenden Betrieb sichern. Peter Piffl-Perčević (rechts) vertritt hier die öffentliche Hand, deren kulturelle Agenda Beiträge zum Museumsbetrieb nahelegen.

Konzepte und Einzelstücke: Der Mila Alpin Pure von Magna Steyr zitiert in der Frontpartie den Steyr-Puch Haflinger in seiner Amerika-Ausführung.

Eines der großen Themen seit über hundert Jahren ist die individuelle Mobilität durch Kraftfahrzeuge. Das war bis nach dem Zweiten Weltkrieg einer gut situierten Minorität vorbehalten. Im Grazer Museum können Sie sich ansehen, wie es zum heutigen Stand der Dinge kam und wohin das eventuell weist…

— [Übersicht] —

Roller-Fest

Nein, Keine Sorge, es ging beim Jubiläumstreffen „60 Jahre Puch-Roller“ weit lebhafter zu, als dieses erste Foto annehmen läßt. Es gefiel mir bloß, wie da einer auf seinem 150er über die weitläufige Wiese zog, wo einst dicht gedrängt die Werkshallen des „Einser-Werkes“ gestanden haben und etwas südlicher ein riesiger Schlot hoch aufragte. Siehe dazu die historische Illustration: [link]


In der Nacht hatte ich den Regen fallen gehört, am Morgen war noch immer mieses Wetter und ich dachte: Das ist total unfair. Aber das Zentralreisebüro des Universums reagierte prompt auf meinen nächtlichen Unmut, schaltete auf Schönwetter, voila!

Gut, wer von weiter weg aufgebrochen war, um nach Graz zu kommen, hatte die Entscheidung noch im schlechten Wetter treffen müssen. Tapfere Leute; zu meiner Freude. Denn es war nicht nur eine Pracht, was in der Samstagssonne blitzte, unter den 150ern entfaltete sich durch die Teilnehmerzahl jene schöne Farbenvielfalt, die damals im Straßenbild ein deutlicher Hinweis gewesen sind: Die Zeiten sind endlich besser. (Was auch die Zierleistenvielfalt an den großen Rollern ausdrückte.)

Die 125er sind da vom Werk aus dezenter gehalten, doch manchmal ändert das ein Besitzer in privater Initiative. In freier Wildbahn sieht das meist anders aus, siehe jüngst meinen aktuellen 125er-Eintrag: [link]

Dazwischen so manche Rarität wie etwa ein 1957er SR 125 im großen Prunkgewand und – sensationell! – der(?)/die(?) Allstate 150 A von 1965, ein Motorrad mit Rollermotor und „Herrenlenker“. Oder eine blitzblanke Puch 175 MC „Six Days“, deren heiseres Hecheln sofort über den Platz zu hören war. Siehe zu diesem Gerät die feine Reportage in „Austro Classic“: [link] (Ja, ich werde all diese Preziosen hier noch zeigen.)

Wir, etliche von uns, sind natürlich Jahrgänge, deren Eltern ihre Hochzeitsreisen auf Puch-Rollern gemacht haben; meine wie unzählige andere. Davon war hier auf dem Platz die Rede. Gewöhnlich ist längst vergessen, wie speziell es zu der Zeit war, wenn Menschen meiner Herkunft mit einem eigenen Fahrzeug fahren konnten, wohin es ihnen beliebte.

Volker Edler (links) und Peter Piffl-Perčević

Der Grazer Gemeinderat Peter Piffl-Perčević, praktizierender Puch-Pilot, eröffnete die Veranstaltung, Buchautor Volker Edler moderierte die weiteren Grußworte und Features. Das Buch „Der Puch Roller macht Geschichte“ von Volker Edler und Gernot Heigl wurde präsentiert. Auch die Crew vom (Puch-) CLUB-Magazin [link] war auf dem Set.

Wer also Lust hatte, Benzin zu reden, einen ersten Blick in das neue Museum zu werfen oder in der Vergangenheit zu kramen, war da an der richtigen Adresse.

 — [Überblick] —

Karlheinz Rathkolb: Willkommen!

Liebe Freundinnenn und Freunde des Johann Puch-Museums!

Am 27. Juni 2012 feiern wir den 150. Geburtstag von Johann Puch. Dazu ist für mich ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen, was Sie vielleicht auch freuen wird. Nach mehreren Anläufen und einigen Jahren Ringen um diese Möglichkeit ist das Johann Puch-Museum jetzt in der denkmalgeschützten „Halle P“ auf dem Terrain des früheren „Einser-Werkes“ untergebracht.

Das älteste Rad aus der Ära Puch im Museum, ein "Niederrad" aus dem Jahre 1889 (im Besitz des Hauses Edegger-Tax)

Das bedeutet, wir befinden uns in einer Halle, die ab 1908 in Etappen erbaut wurde und noch heute in ihrer Substanz authentisch dasteht. In dieser Halle, wo der „Alpenwagen“, den wir nun wieder hier haben, hergestellt wurde, ist der Altmeister persönlich zugegen gewesen.

• Am Mittwoch, dem 27. Juni 2012, gibt es am neuen Standort von 10:00 bis 17:00 Uhr ein Sonderpostamt mit der Präsentation einer Sondermarke der Österreichischen Post AG, die Johann Puch in der Blüte seiner Jahre zeigt.

• Am Samstag, dem 30. Juni 2012, gibt es ab 18:00 Uhr ein Abendprogramm mit der offiziellen Eröffnung des neu gestalteten Museums. Sie werden neben dem „Alpenwagen“ von 1919 auch die Puch „Voiturette“ von 1906 sehen können; und das älteste bekannte Fahrrad von Puch, ein wunderbar puristisches Niederrad von 1889.

• Am Sonntag, dem 1. Juli 2012, gönnen wir uns von 9:00 bis 13:00 Uhr eine gemeinsame Ausfahrt in das ARBÖ Fahrsicherheitszentrum in Ludersdorf (bei Gleisdorf). Wer sich zeitgerecht anmeldet, kann diese Anlage kostenlos nutzen. [Anmeldung]

Alle Details finden Sie auf unserer neuen Website unter: [link] Ich lade Sie herzlich ein, diese Tage mit uns gemeinsam zu genießen.

Ihr
Karlheinz Rathkolb

P.S.:
Es gibt davor übrigens eine kleine „Aufwärmrunde“. Am Samstag, dem 23. Juni 2012, treffen sich ab 9:30 Uhr Reiselustige vor dem Museum, um in einer kleinen Ausfahrt das Jubiläumstreffen „60 Jahre Puch-Roller“ zu zelebrieren.

 

Die Halle P

Von den frühen Betrieben des Fabrikanten Johann Puch ist kaum Bildmaterial verfügbar. Er starb 1914. Zum Glück für uns war er ein sehr inspirierter Werbestratege und konsequenter Öffentlichkeitsarbeiter, was im Betrieb auch nach seinem Tod weiter gepfelgt wurde. So können wir aus den Werbesujets allerhand interessante Eindrücke gewinnen.

Diese Werksansicht verdanken wir einem Inserat (Für die große Ansicht bitte anklicken!)

Am 4. April 1915 erschien in der „Allgemeinen Automobil-Zeitung“ auf Seite 7 ein Inserat der Puchwerke AG Graz. Es zeigt ein voll ausgebautes „Einser-Werk“, auf dem im Vordergrund jene Halle zu erkennen ist, in der sich neuerdings das „Johann Puch-Museum“ befindet. Die Bezeichnung „Halle P“ stammt allerdings aus jüngerer Zeit, denn hier waren die Steyr-Puch „Pinzgauer“ zuhause, bis ihre Produktion nach England verlegt wurde.

Das Inserat vom April 1915

Unübersehbar: Diese Halle war in der Blütezeit des Werkes sehr viel länger. Sie endet heute etwa bei jenem auffälligen Knick, vor dem sich derzeit ein markanter Kreisverkehr befindet. Die ganze Anlage rechts (südlich) davon ist Geschichte.

Was nun die Daten angeht, ist noch kein Konsens auf dem Tisch. Mit dem Bau der Halle wurde wohl 1908 begonnen. Peter Piffl-Percevic betont: „Auf den Fakturen von 1913 ist die Halle noch nicht zu finden, 1915 ist sie in den Büchern.“ Das bekräftigt offenbar dieses Inserat.

Der Puch "Alpenwagen" von 1919

Übrigens! Der Puch „Alpenwagen“ von 1919 mit dem damals so modischen Spitzkühler, ein Puch Typ XII, den Sie bei der Eröffnung werden sehen können, wurde in eben dieser Halle gebaut.

Warum sammeln? Warum ein Museum?

Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, läßt sich schwer klären, wer wir sind. Wenn wir nicht wissen, wer wir sind, bleibt reichlich unscharf, wohin es gehen soll. Zugegeben, das Puch-Museum ist keine philosophische Fakultät, also werde ich derlei Überlegungen nun auf einen Teilaspekt hinführen, der im Hause greifbar ist.

In „Was das Pucherl bedeutet“ [link] habe ich schon knapp skizziert, daß das Automobil diese Gesellschaft völlig verändert hat. Grundlegend! Es ist nicht bloß Gebrauchsgegenstand, sondern auch Fetisch. (Unter Fetisch versteht man einen toten Gegenstand, der von Menschen mit besonderer Bedeutung aufgeladen wird.)

Das Auto hat technische und soziokulturelle Vorbedingungen, die sehr wesentlich in der Fahrradwelt zu finden sind, aber auch in ganz anderen Bereichen, wie etwa der Produktion von Schreibmaschinen und Nähmaschinen. Know how, Materialkenntnis, Mobilitätserfahrungen, Findigkeit in Produktionsweisen…

Das bedeutet, in recht kurzer Zeit, in rund 150 Jahren, haben wir technisch, wirtschaftlich und kulturell höchst komplexe gesellschaftliche Veränderungsprozesse durchlaufen, wie sie in jener Dichte und Geschwindigkeit vollkommen neu waren. Das brachte auch eine weitreichende Beschleunigung unser aller Leben mit sich, die teilweise höchst fatale Konsequenzen hat.

Wir wissen längst, daß eine Gesellschaft WISSEN und KOMPETENZEN sehr leicht verlieren kann, wenn man manche Dinge gerade nicht braucht und wenn man sich um erworbene Kenntnisse nicht kümmert. Daß wir solchen Fragen auch begegnen, indem wir Sammlungen anlegen, uns Museen leisten, ist ein kulturgeschichtlich sehr junges Phänomen.

Was einst die Wunderkammern und Privatsammlungen der „alten Eliten“ waren, ist der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen. Mit Frankreichs Louvre [link] im 18. Jahrhundert, mit dem steirischen Joanneum (heute: Universalmuseum Joanneum) [link] im frühen 19. Jahrhundert kennen wir zwei sehr markante Beispiele, wie einerseits altes Wissen geordnet und gepflegt, andrerseits neues Wissen beschafft und archiviert wird.

Wissensgewinn und -erhalt braucht ohne Zweifel Institutionen. Aber das sind sehr kostenintensive Projekte. Daher stehen sie auch permanent zur Debatte und werden gelegentlich massiv angefochten. Brauchen wir das alles? Soll es so oder so gemacht werden? Wer muß und wer kann das bezahlen? Wie können Hauptamt und Ehrenamt fruchtbar kombiniert werden? Was hat der Staat zu leisten und wofür hat sich die Zivilgesellschaft zuständig zu fühlen?

Sie sehen, zur laufenden Arbeit am Bestand des Museums kommen auch stets derlei grundlegende Fragen. Was meinen Sie dazu?