Franz Tantscher

In eigener Sache, und zwar persönlich

Werte Damen und Herren!

Ich habe genau am 9. Juni 2012 begonnen, mich ehrenamtlich für das weitere Gedeihen des „Puch-Museums“ zu engagieren. Mein Beitrag ist bescheiden, ich hab die neue Website aufgebaut und betreue sie redaktionell.

In diesen wenigen Wochen meiner Befassung mit dem Haus habe ich kuriose Erfahrungen gemacht. Die angenehmen darunter handeln von erfahrenen Leuten, die teilweise ein Stück Werksgeschichte repräsentieren, die einerseits ihr unbezahlbares Wissen einbringen, die andrerseits Hand anlegen, damit am neuen Standort alles in der verfügbaren Zeit möglichst gut wird.

Zeitzeuge Franz Tantscher brachte nicht nur die 1906er Voiturette wieder zum Laufen, er nimmt auch einfachere Arbeiten sehr ernst.

Ich nenne ein Beispiel, damit verstanden wird, was ich meine. Wie viele Tage sah ich nun Franz Tantscher, der immerhin Mechaniker von Motocross-Weltmeister Harry Everts gewesen ist, still und unerbittlich zupacken, bis hin zum Umtopfen von Pflanzen. Der redet nicht viel, der macht.

Ich bin selber kein kleiner Rotzbub mehr und mag dennoch mit Respekt auf ihn blicken, seine Haltung auch als eine vorbildhafte sehen. Oder ich denke an Ferdinand „Fredi“ Thaler, der unter anderem Ortners Copilot in Monte Carlo gewesen ist und der seinerzeit Gelegenheit hatte, Werksdirektor Ledwinka auf der Teststrecke fast in hohem Bogen aus dem Haflinger zu schmeißen. Der Mann ist mir in seinem Entgegenkommen eine große Hilfe, am Thema Puch zu arbeiten.

Fredi Thaler, ein erfahrener Mechaniker und Zeitzeuge des Rennsports

Dann gibt es aus dieser kurzen Zeit meines jungen Engagements noch ganz andere Erfahrungen. Ich muß mich davon nicht gemeint fühlen, ich muß auch am Museum keine „Konfliktbewältigung“ anstrengen, denn offenbar waren da Konflikte, aber die gehen mich nichts an und niemand hat mich zum Revisor berufen.

Dennoch, ich sage es ganz offen, fühle ich mich brüskiert von so mancher Mitteilung, die mich als Sekretär erreicht. Ich habe höflich zu bleiben, weil das Haus nicht meine private Bude ist, doch ich möchte einige Dinge nicht einfach so im Raum stehen lassen.

Es war die aktuelle Botschaft von Wolfgang Votruba, dem Obmann des “Steyr-Puch Fahrzeuge Club Erlauftal“ [link], die mich zu dieser Stellungnahme bewegt. In meiner Welt spreche ich jemanden, dem ich etwas vorzuhalten habe, zuallererst einmal unter vier Augen an: „Mein Lieber, mir paßt da etwas ganz und gar nicht. Können wir darüber reden?“

Wenn also jemand so deftige Schelte, wie die von Votruba, nicht in den Postkasten wirft, sondern öffentlich an eine Tür nagelt, hier also noch dazu an die Einladung zur Neueröffnung des Museums heftet, dann ist das nicht bloß eine Sachverhaltsdarstellung. Der Mann will in seiner deutlichen Geste allgemein gehört und gesehen werden. Es geht demnach nicht bloß um Sachfragen, das ist evident, da hat jemand ein Hühnchen zu rupfen

Sie können Votrubas Vorhaltungen hier nachlesen: [link]

Ich werde jetzt natürlich nicht hergehen und seine Post entkräften wollen. Das wäre lächerlich. Ich denke, sie enthält ja auch Vorschläge, deren Beachtung sinnvoll ist. Außerdem respektiere ich die Meinung Andersdenkender und begrüße die aktuelle Mediensituation, in der man sich leicht zu Dingen äußern kann, wo man etwa auf solche Art gehört werden kann.

Ist schon wahr, mit dem Putzen ist im Haus zu keinem Ende zu finden...

Ich werde so frei sein, in einem eigenen Text ein paar Denkanstanstöße zum Thema „Puch-Museum“ vorzulegen. Es würde mich freuen, Ihre Meinung dazu kennenzulernen. Nutzen Sie bitte die Feeback-Funktion auf der Website, wie sie Votruba genutzt hat. Vor allem dort, wo es dann auch wieder sachlich werden kann, wird das Haus davon profitieren.

Martin Krusche
(Sekretär)

— [Die Debatte] —

Fahrzeug: Puch Roller RL 125

Ich war im Puch-Museum zugange, hatte anschließend noch ein Arbeitsgespräch mit Sandra Kocuvan und Gerald Gigler vom Land Steiermark. Im Kulturbereich sind ja allerhand neue Schritte zu gehen. Abteilung 9 und Abteilung 16, ich bin manchmal ganz vergnügt, welche Querverbindungen sich mit welchen Themenstellungen herstellen lassen.

Karlheinz Rathkolb macht eine Salonrunde mit der "Daisy" (DS 50), Franz Tantscher bei der Gartenarbeit, bald wird eröffnet

Mobilitätsgeschichte. Und überhaupt. Wer sich im kulturellen Geschehen des Landes engagiert, sollte wenigstens eine skizzenhafte Vorstellung der sozialgeschichtlichen Kräftespiele innerhalb der letzten 150 Jahre haben. Damit bin ich auch (kein Zufall!) bei der Biografie von Johann Puch, dessen 150. Geburtstag wir in wenigen Tagen feiern: [link]

Er ist ein Kind dieser damals neuen Kräftespiele, er wurde zu einem prominenten Akteur dieser Entwicklung, die mit dem Fahrrad begann die Welt zu verändern und in seinem „Generalfetisch“, dem Automobil, einen Angelpunkt erhielt, der zum Verständnis des 20. Jahrhunderts nicht ignoriert werden kann.

Robust auf Jahrzehnte: Der RL 125 (Fußnote: Der sechsbeinige Hund von Agip auf der Tonne ist nun auch gleich Geschichte.)

Aber ich schweife ab. Das Arbeitsgespräch brachte mich in die Gegend des Hilmteiches. Eine günstige Fügung, weil ich von da aus natürlich den Weg nach Gleisdorf über die Ries nahm.

Das war ja zu Zeiten von Johann Puch eine Rennstrecke, auf der sich seine Fahrzeuge bewährt haben. Das ist heute natürlich eine Route, auf der beim Fahren Zurückhaltung empfohlen wird. Und das ist eine Straße, an der ein kleines „Roadhouse“ steht, eine Imbiß-Bude, nach der ich mich zu einem heftigen Wendemanöver genötigt sah.

Da hatte was gefunkelt. Die Formgebung ist zum Glück derart prägnant, daß einem selbst der flüchtigste Blick im Vorbeihuschen verrät: Ein Puch-Roller. Dieser Fahrzeugtyp ist jetzt gerade einmal 60 Jahre in der Welt; dazu das kleine Jubiläumstreffen beim Museum: [link]

Das geklebte Fahrtenbuch, zur Erbauung der Passanten

Die Farbe dieses RL 125 ist natürlich nicht amtlich, erst bei den großen 150ern wurde es richtig bunt. Sein Zustand läßt auf ungehemmten Alltagseinsatz schließen. Die schwarze Nummerntafel (Oberösterreich) belegt, daß er schon sehr lange ungebrochen angemeldet ist.

Die Aufkleber, mit denen das vordere Kotblech bedeckt ist, sind in der Art, wie sie in meinen Kindertagen weit verbreitet waren. Dieser Roller macht es also offensichtlich schon viele Jahrzehnte…

— [Fahrzeuge] —

Fahrzeug: Niederrad („Safety“) von 1889, Ära Puch

Wenn wir auf der neuen Museums-Website den Fahrzeugbereich aufblättern, ist es sehr passend, daß das erste einspurige Fahrzeug dieses ist; nämlich ein Niederrad („Safety“) von etwa 1889, also aus jenen Tagen, da Puch seine Karriere in Graz voranbrachte.

Es ist eines der ältesten Fahrräder, welches man in der Steiermark noch aus der Nähe sehen kann… Falls man Gelegenheit dazu bekommt, denn es befindet sich in Privatbesitz der Familie Edegger-Tax.

Museums-Leiter Karlheinz Rathkolb (links) und Mechaniker Franz Tantscher bereiten die Rarität für die Eröffnungsausstellung vor

Zur Herkunft heißt es: Das exquisite Stück ist eines von zehn Exemplaren, welches seinerzeit für die Zustelldienste von der Bäckerei angekauft wurden. Der Rest der Räder dürfte im Arbeitsalltag der Bäcker-Burschen verschlissen worden sein, dieses aber geriet in irgend einem Winkel in Vergessenheit.

Eine schöne Geschichte, aber kaum stichhaltig, weil wir hier eigentlich ein Kinderrad sehen. Eine andere Geschichte nennt einen Antiquitätenhändler, der es aus Polen beschafft haben soll. Weitere Geschichten werden noch zu erfahren sein.

Zu jener Zeit war England maßgeblich und stilprägend, was die neuen Fahrradformen anging. Wie das „Waffenrad“ aus Steyr waren quer durch Europa viele neue „Sicherheitsfahrräder“ („Safeties“) meist Lizenzbauten britischer Vorbilder.

Um beim genannten Beispiel zu bleiben: Das bei uns heute noch so populäre „Waffenrad“ ist historisch die Lizenzversion des „Swift“-Fahrrades der „Coventry Machinists Co.“ Auch die sehr verbreiteten „Dutchbikes“/“City-Bikes“ gehen auf britische „Roadster“ zurück.

Zurück zu jenem von Edegger-Tax. Die Besonderheit des Fahrzeuges: Es markiert den Umbruch von den sehr teuren und ebenso gefährlichen, weil sturzanfälligen „Hochrädern“ zu den modernen „Sicherheitsrädern“, die in der Folge zu einem Hauptereignis des individuellen Massenverkehrs werden konnten.

Tretkurbel und Hinterrad sind fix verbunden, links an der Nabe der kleine "Teller", ein "Fußraster". Die "Spurstange" rechts hat am vorderen Ende ein Gewinde, wodurch wohl die Kette gespannt werden kann.

Das Hinterrad ist ohne „Freilauf“, die Tretkurbel rotierte also immer mit dem Rad mit. Man sieht auf der linken Seite der Achse einen kleinen „Fußraster“ hervorlugen, auf dem wenigstens ein Fuß ruhen konnte, falls es gerade flott dahin ging.

Die schlanken Vollgummireifen waren damals sicher schon ein Fortschritt an Komfort und die große Karbid-Lampe ergab eine wichtige Sicherheitseirichtung; etwa um in Dämmerung und Dunkelheit gesehen zu werden. Bedenken Sie, die Menschen waren damals auf den Straßen noch nicht mit dem Tempo vertraut, das ein Bursche in guter Kondition auf so einem Rad erreichen konnte.

Das Fahrrad ist in faszinierendem Originalzustand

Autos waren damals noch kaum bekannt, Pferdefuhrwerke und Straßenbahnen repräsentierten ein anderes Geschwindigkeits-Universum. Es war durchaus üblich, unterm Gehen die Zeitung zu lesen oder sonst wie vom Verkehrsfluß abgelenkt zu sein. Da kam es mit den neuen „Rasern“ öfter zu Kollisionen und zu heftigen Streitigkeiten auf der Straße.

— [Fahrzeuge] —

Fahrzeug: Steyr-Puch 650 TR2 „Monte“

Sinnstiftung. Das ist einer unserer Verfahrensweisen, dem eigenen Leben einen größeren Zusammenhang zu geben. Darin gelingt es uns auch, Gemeinschaft herzustellen. Naja, man muß das jetzt nicht überstrapazieren. Aber es liegt schon besonderer Charme in Momenten wie dem folgenden.

Ich hatte mich im Museum mit Leiter Karlheinz Rathkolb zu besprechen. Bei der Gelegenheit erfuhr ich auch von einer sehr klugen Entscheidung. Das Museum hat einen stattlichen Konferenzraum erhalten, was in Zukunft Arbeitstreffen an einem geschichtsträchtigen Ort ermöglicht. (Sehen Sie? Geschichtsträchtig = Sinnstiftung.)

Beiläufig erwähnte Rathkolb, Piffl werde heute noch einen „Monte-Wagen“ von Ortner vorbeibringen. Das ist jetzt kein Geheimcode, aber doch Insider-Jargon. „Monte“ steht natürlich für die Rallye Monte Carlo und Ortner meint den Rennfahrer Johannes Ortner, der auf Puch und Abarth bemerkenswerte Erfolge eingefahren hatte. (1960 Staatsmeister auf Steyr-Puch 500.) Ich bin ihm und Abarths Witwe Anneliese einmal begegnet.

Johannes Ortner und Anneliese Abarth

Ferdinand „Fredi“ Thaler, von dem ich viel über Puch-Belange erfahren durfte, ist übrigens einmal Ortners Copilot in „Monte“ gewesen: [link] Aber zur Sache! Abendrot. Lange Schatten. Ich war eigentlich schon am Gehen, da rollte das Gespann auf dem Terrain daher.

Ein authentisches Rennfahrzeug mit bemerkenswerter Geschichte, ein Unikat

Fast 40 Jahre hatte der Wagen in einer Garage gestanden. Jetzt, genau jetzt, wurde er erstmals wieder in die Öffentlichkeit geschafft, um bei der Neueröffnung des Museums einen der besonderen Akzente zu ergeben. Doch Peter Piffl-Percevic betonte, nicht dieser Wagen sei die Attraktion, sondern Tantscher. Das meint Franz Tantscher, der einst Mechaniker von Weltmeister Harry Everts gewesen ist.

Tantscher ist auch der Mann, der die Puch Voiturette von 1906 wieder zum Laufen gebracht hatte. Man sieht ihn auf diesem Klöckl-Foto: [link]

Peter Piffl-Percevic ist ein profunder Kenner tief gehender Puch-Zusammenhänge

Kurz zurück zu Ortners „Monte-Wagen“, der wird also zu sehen sein. Ein spartanischer Arbeitsplatz für Rennfahrer der 1960er-Jahre, nach Möglichkeit bis in kleine Details in jenem Zustand erhalten, der ihn damals ausgemacht hat. Und die Frage der Sinnstiftung? Dazu später mehr…