Steyr-Daimler-Puch AG

Die formelle Eröffnung

30. Juni 2012: Die Wiedereröffnung des Grazer Johann Puch-Museums am neuen Standort, der denkmalgeschützten „Halle P“ des vormaligen Einser-Werkes, brachte etliche altgediente Puchianer, Männer wie Frauen, auf dem historischen Terrain zusammen.

Auch Funktionstragende der Kommunalpolitik fanden sich ein, um diesen Zwischenstand zu begutachten. Zwischenstand deshalb, weil das Museum aufgrund seiner Konzeption work in progress ist, also in steter Veränderung begriffen.

Das ovale Frontemblem weist den Steyr-Puch 500 der ersten Produktionsphase aus

Als ein Ort, an dem unsere Mobilitätsgeschichte verhandelt und gezeigt wird, würdigt es zwar den Genius loci, Altmeister Johann Puch, geht aber weit über sein Tun hinaus. So reicht die Schau von frühen Fahrrädern über erste Automobile zu zukunftsweisenden Prototypen und Unikaten, beinhaltet aber auch Elemente von Raumfahrzeugen, die ins All deuten, also über den Planeten hinaus.

Dieses Projekt ist keine staatliche Einrichtung mit Kuratoren, wissenschaftlichem Personal, Haustechniker und Putzmannschaft. Es ist „Bottom up“ entstanden, von der Basis engagierter Bürgerinnen und Bürger her; nicht wenige davon früher im Puchwerk, genauer: bei der Steyr-Daimler-Puch AG tätig.

Ein großer Teil der gezeigten Objekte stammt aus privatem Besitz, einige der Leihgaben kommen von Betrieben, einschlägigen Unternehmen.

Von links: Gerhard Stiegler, Karlheinz Rathkolb und Peter Piffl-Perčević

Das Trio im Kreis all der Leute, welche dieses Museum möglich gemacht haben, symbolisiert den Modus. Karlheinz Rathkolb (Mitte) repräsentiert den privaten Verein, der Träger des Museums ist. MAGNA-Vorstand Gerhard Stiegler (links) steht für Wirtschaftstreibende, deren Sponsorleistungen den laufenden Betrieb sichern. Peter Piffl-Perčević (rechts) vertritt hier die öffentliche Hand, deren kulturelle Agenda Beiträge zum Museumsbetrieb nahelegen.

Konzepte und Einzelstücke: Der Mila Alpin Pure von Magna Steyr zitiert in der Frontpartie den Steyr-Puch Haflinger in seiner Amerika-Ausführung.

Eines der großen Themen seit über hundert Jahren ist die individuelle Mobilität durch Kraftfahrzeuge. Das war bis nach dem Zweiten Weltkrieg einer gut situierten Minorität vorbehalten. Im Grazer Museum können Sie sich ansehen, wie es zum heutigen Stand der Dinge kam und wohin das eventuell weist…

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Wem gehört das Johann Puch-Museum?

Wenn sie die „Halle P“ betreten („P“ steht für „Pinzgauer“, also für eine Kategorie jenseits von Pionier Johann Puch), dann erleben sie eine zeitgemäße Kombination von privater Initiative, staatlicher Förderung und Sponsoring aus der heimischen Wirtschaft.

Das Johann Puch-Museum ist Ausdruck jenes „Bottom up-Prinzips“, wie es oft erwähnt, aber noch eher selten praktiziert wird. Das hat mit der Idee von „Bürgerbeteiligung“ zu tun, was in diesem Fall bedeutet:
+) Die Initiative geht von Privatpersonen aus,
+) ein gemeinnütziger Verein hat die Trägerschaft,
+) Konzept und Umsetzung sind von einer Art,
+) daß der Staat das Vorhaben mitträgt,
+) hier vor allem die Stadt Graz und das Land Steiermark,
+) das Ergebnis dieser Bemühungen überzeugt auch Geschäftsleute,
+) so daß etwa Magna Steyr und andere als Sponsoren aktiv werden.

Die Hauptleistungen zur Existenz des Museums erfolgen im Ehrenamt, das heißt, die unbezahlte Arbeit engagierter Menschen ist ein wichtiges Fundament des Hauses.

Die Puch Voiturette ist eine Leihgabe von Magna Steyr

So ergibt sich in Summe eine Einrichtung, welche der Zeitgeschichte und der Mobilitätsgeschichte gewidmet ist. Angelpunkt dieser Darstellungen ist die historische Persönlichkeit Johann Puch. So zeigen sich ganz spezielle Bezugspunkte zur Steiermark, zugleich eine internationale Relevanz; und zwar gleichermaßen der historischen Dimensionen wie der Gegenwart.

Das meint: Was hier geleistet wurde, hat nun rund hundert Jahre weit über die Landesgrenzen hinaus Wirkung gezeigt und Bedeutung erlangt.

Das ist übrigens so faszinierend an der Symbolfigur Johann Puch. Er hat zwar keine zwanzig Jahre des vorigen Jahrhunderts erlebt, welches zum Jahrhundert der Volksmobilität wurde, aber sein Tun war so grundlegend und folgenreich, daß landläufig auch die Folgeprojekte mit ihm assoziiert werden.

Weder die Steyr-Daimler-Puch AG noch Magna Steyr stehen in direkter Verbindung mit dem Altmeister, doch sie schreiben gewissermaßen in die Gegenwart fort, was er verkörpert hat.

Zur Trägerschaft des Museums sehen Sie bitte das Impressum nach: [link] Die dort angeführte ZVR-Zahl 924111394 verweist auf das öffentliche Zentralregister des Innenministeriums, wo man sich jederzeit über den Status quo informieren kann: [link]

Sonderpostamt: Puch-Portrait

Es gibt Tage und Ereignisse, da freue ich mich über etwas, als ob ich es erfunden hätte, dabei bin ich bloß Flaneur, Zaungast. Daß es also nun eine „amtliche“ Johann Puch-Marke gibt, gefällt mir. Daß es beim Sonderpostamt im neu gestalteten Johann Puch-Museum derart lebhaft zuging, behagt mir. Aber das Besondere sind einige Begegnungen und Gespräche, von denen ich hier noch erzählen werde.

Schauen, schmökern, plaudern, Beute machen. Wenn Sammler, Liebhaber, Zeitzeugen und Kritiker zusammentreffen, sind kontrastreiche Stunden gewiß.

Ich hab an anderer Stelle geschrieben, „ein zweites Museum“, das man durch anregende Gespräche mit sachkundigen Leuten erhalte, das sei „eine prächtige Metapher für das, was jene Menschen repräsentieren, die ‚dabei gewesen’ sind. Es ist gewissermaßen das ‚Virtuelle Museum’, welches sich aus dem Wissen und den Erzählungen von Zeitzeugen ergibt.“ [Quelle] Es beginnt sich mehr und mehr einzulösen.

Der Altmeister, zum 150. Geburtstag mit einer Briefmarke gewürdigt.

Ich habe in letzter Zeit etliche Stunden in dieser Halle verbracht. Da waren helfende Hände am Werk, aber noch kaum Publikum zugange. Das beginnt ja erst jetzt, sich am neuen Standort einzufinden. Dennoch ist überraschend, wie viele Gespräche ich schon führen konnte, in denen mir Details, Puzzlesteine geboten wurden, um diesen großen Themenkomplex Steyr-Daimler-Puch AG mit seiner Vorgeschichte und seinen Folgen greifbarer zu machen.

Franz Tantscher läßt trifft seine Wahl unter den verschiedenen Sammelstücken.

Dazu kam aber heute auch eine kleine, feine Ausstellung von Exponaten des ASV Puch, Sektion Philatelie. Poststücke, Bildpostkarten, sogar ein Führerschein aus dem Jahr 1924, in dem – wie damals üblich – das betreffende Automobil eingetragen ist: Ein Puch 14/18.

Der ASV Puch, Sektion Philatelie, hat allerhand Raritäten auf Lager

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Reden, reden, reden…

„Und wenn man das Glück hat mit den Leuten dort ins Reden zu kommen, bekommt man noch einmal eine zweites Museum dazu, über die Geschichten der Mobilitätsentwicklung und über die vielen kleinen Geschichten um die Marke PUCH.“

Was der Techniker Kurt Engeljehringer da in einem Feedback betont hat, beinhaltet eine prächtige Metapher für das, was jene Menschen repräsentieren, die „dabei gewesen“ sind. Es ist gewissermaßen das „Virtuelle Museum“, welches sich aus dem Wissen und den Erzählungen von Zeitzeugen ergibt.

Ingenieur Harald Sitter hatte in den 1950ern noch mit den Prototypen zu tun

Ich nennen ein Beispiel. Sie werden es vermutlich in keinem Buch gelesen haben, daß vom Ingenieur Harald Sitter, der 1956 bei Steyr-Daimler-Puch an Bord gegangen ist, nicht bloß der hauseigene Pinzgauer-Motor stammt. Sitter zeichnet auch für die zwei Typen der Puch Vierzylinder-Boxermotoren verantwortlich, Typ 750 und Typ 752, von denen nur wenige Einheiten gebaut wurden. Für welches Fahrzeug?

Für den Puch S, den Spider. Naja, das war jetzt leicht, wenn man öfter im Museum ein- und ausgegangen ist. Aber was weiß der Mann so alles zu erzählen, da er in dieser intensiven Zeit Mitarbeiter der Steyr-Daimler-Puch AG gewesen ist?

Vier Zylinder? Boxer? Luftgekühlt? Genau! Original Puch.

Engeljehringer betont solche Aspekte, wie sie auch zu den Grundlagen der Oral History gehören, also jener erzählten Geschichte, die im Kopf der Zeitzeugen erhalten ist, wovon dann diverse Quellen und Artefakte eben nicht erzählen: „Das ist allemal interessanter als nur alle Varianten und jemals gebauten PUCH Fahrzeuge zu sehen.“

Ich nehme an, ab da werden nun die Ansichten und Wünsche auseinandergehen. Ich verstehe schon, daß auch Puristen ins Museum kommen, die Klarheit suchen, was historische Fakten angeht. (Denken wir nur die bisherigen Debatten über die Herkunft des „Edegger-Rades“.) Nein, man muß noch gar nicht Purist sein. Es ist ja auch eine Frage der stichhaltigen Deklaration und Beschilderung.

Ich hab an anderer Stelle schon gegenübergestellt: Werksgeschichte oder Zeitgeschichte? Das müßte vielleicht eher heißen: Werksgeschichte und/oder Zeitgeschichte! Sowas hängt dann von a) Intentionen und b) Kapazitäten ab. Also: a) Was möchte ich zeigen und b) Was kann ich mir leisten?

Eines von Engeljehringers zentralen Argumenten wird vermutlich nicht allen zusagen: „Es geht nicht darum, hier eine große Anzahl und Vielfalt von jedem Rad, Moped, Motorrad oder Auto zu sehen. Das interessiert nur die, die sie eh kennen, die brauchen kein Museum. Es geht darum, die Geschichte verständlich zu machen, was PUCH war und was hier in Graz passiert ist, so wie was daraus geworden ist – Erfolgsgeschichten wie der Steirische Autocluster.“

Geschichte verständlich machen!

Ein Plädoyer, nicht bloß einzelne Fakten zu betonen, sondern sich dem größeren Zusammenhang dieser Fakten zu widmen. Damit hab ich jetzt die mögliche „Originalitäts-Debatte“ noch nicht einmal angerissen. Die ist ja sehr interessant und ich bin neugierig, welche Ansichten hier dazu noch erfahrbar werden. (Bitte um Feedback!)

Eine legitime Frage: Monster oder Monza?

Engeljehringer zur Frage der „verbastelten Fahrzeuge“: „Und zur Geschichte gehören auch nie gebaute Monza-Modelle, die sehr wohl existiert haben. Kennt jemand auch nur einen, der eine Monza hatte und diese nicht umgebaut hat? Ich bin zu der Zeit in die Schule gegangen, leider konnte ich mir keine Monza leisten, aber ich kannte keinen der eine hatte und sie nicht umgebaut hatte. Das ist eben erlebte Geschichte und nicht nur das Verwalten der Historie.“

Ja, dazu wird es wohl auch kontroversielle Ansichten geben.

— [Die Debatte] —

Tip: Keine Straße? Immer ein Weg!

Über den Daumen gepeilt ergibt das ein halbes Jahrhundert Allradtechnologie auf höchstem Niveau: Die Haflinger, Pinzgauer und G-Wagen im Rudel; und wer weiß? Vielleicht verirrt sich auch ein rarer Noriker ins Getümmel.

Vom 23. bis 26. August 2012 findet in Graz das

1. Puch Geländewagen Generationen Treffen
— [link]  —

…statt. Den Auftakt erlebt die Community auf dem Terrain des vormaligen „Einser-Werkes“ von Johann Puch in Graz. Am Donnerstag, dem 23. August, beginnt es um 10:00 Uhr vormittags: Eintreffen und Registrierung, Besichtigung des Puch-Museums, Stadtführung…

Robuster Gast beim Jubiläumstreffenb "60 Jahre Puch-Roller"

Treffpunkt ist der Informationstand beim Museum in der Puchstraße 85, 8020 Graz
• Lageplan: [link] Luftaufnahme: [link]
• GPS 47.043575,15.437293

Alle weitere Details und Programmpunkte entnehmen Sie bitte der S-Tec-Themenwebsite. Das Informationsblatt ist dort wahlweise in Deutsch, Englisch oder Französisch downloadbar: [link]

Mit dem Treffpunkt betreten Sie historisches Terrain. Die „Halle P“ wurde vor hundert Jahren erbaut, steht unter Denkmalschutz, zeigt sich also in ihrem substantiellen Bereichen wie in jenen Tagen, als Johann Puch hier zugegen war.

Die denkmalgeschützte "Halle P" (P wie Pinzgauer)

Bevor das Puch-Museum in die Halle gezogen ist, war hier der Puch-Geländewagenservice untergebracht; viele von Ihnen werden den Ort also kennen.  (Heute betreut S-Tec [link] in Albersdorf diesen Bereich.) Wußten Sie übrigens, daß das erste taugliche Allrad-Automobil der Gesichte in der Werks-Historie der Steyr-Daimler-Puch AG verankert ist?

Paul Daimlers geschichtsträchtiger 4WD-Panzerwagen

Es ist der Austro-Daimler Panzerwagen, den Paul Daimler 1904 entwarf und in Wiener Neustadt bauen ließ. Bei der Präsentation war die Wirkung des Fahrzeuges auf die Pferde der Herren Offiziere so beunruhigend, daß der Kaiser die Idee einer weiteren Umsetzung verwarf. (Bei weitem nicht die einzige zu konservative Entscheidung des Herrschers.)

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Fahrzeug: Puch Voiturette von 1906

Das allererste Automobil von Johann Puch, die Voiturette von 1900, habe ich hier schon gezeigt; auf der einleitenden Seite zum Altmeister: [link] Es war eine zarte, eigenständige Konstruktion von erstaunlicher Leistungskraft.

Die Puch Voiturette von 1906

Wenige Jahre danach hatte sich Puch als Automobilproduzent auf dem Markt etabliert. Ein Fahrzeug aus jenen Tagen ist heute im Besitz von Magna Steyr und wird auch immer wieder im Museum gezeigt. Ein rares Stück.

Zur Erläuterung für jene, denen die Hintergründe nicht ganz geläufig sind: Im Verlauf eines ganzen Jahrhunderts hat es ein bewegtes Kräftespiel in der Automobilbranche gegeben. Was mit drei eigenständigen Firmen begann, nämlich mit Steyr, Austro-Daimler und Puch, mündete nach Jahrzehnten in die Steyr-Daimler-Puch AG, die schließlich von Magna übernommen wurde. Magna Steyr repräsentiert die Kontinuität und Gegenwart dieser lebhaften Geschichte.

Die (1907er) Basis der Voiturette

Während die Voiturette von 1900 ein Unikat war, baute Puch kurz darauf in Kleinserien. Ich habe in der „Allgemeinen Automobil-Zeitung“ vom März 1907 die Abbildung eines Chassis entdecket, das dort aufrecht auf der Nase stehend gezeigt wird. (Hier hab ich das Bild um 190 Grad gekippt.)

Man erkennt sehr gut dieses grundlegende Layout, das noch Jahrzehnte dominieren sollte und in klarer Distanz zu motorisierten Kutschen stand. Das moderne Automobil war in seinen Grundzügen also damals schon präsent. Hier nicht die Entwickung eines Ingenieuers, der sein Diplom in der Tasche hatte, sondern eines hochbegabten und unermüdlichen Handwerkers.

— [Fahrzeuge] —