Ich nehme an, Wolfgang Votruba, der Obmann des “Steyr-Puch Fahrzeuge Club Erlauftal“, ist ein engagierter Mann, dessen Emotionen am Thema hängen. Ich möchte daher als wohlgemeinten Ratschlag deuten, was wie eine Rüge klingt. Sein Kommentar zu unserer Einladung bezüglich Wiedereröffnung des Grazer Museums bietet neben den harschen Sätzen auch anregende Überlegungen. Die Quelle: [link]
Sein erster Satz läßt mich vermuten, daß vielleicht ein grundlegendes Mißverständnis besteht. „Ich hoffe, dass es im ‚neuen’ Museum nur Originalstücke (Zweiräder) und keine ‚umgebauten, nie existierenden Monza-Modelle’, wie zuletzt, gibt.“
Warum denn nur Originalstücke? Wer, wie ich, 1956 geboren wurde, weiß natürlich, daß wir uns zuerst die Daisies, dann die MC, die M50 Cross und Racing oder was immer wir in die Hände bekamen, umgebaut haben. Wir wollten alte Fahrzeuge „moderner“ aussehen lassen, wir wollten Serienfahrzeuge individualisieren, um einen möglichst unverkennbaren Auftritt zu haben, wir reagierten auch auf Modetrends. Beispiel: MC50 mit „Sternenbanner“- Tankbemalung, Sitzlehne und dickem Hinterrad als Referenz an den Film „Easy Rider“.
Wir wollten in den 1970ern die Mopeds schneller machen oder auf jeden Fall schneller aussehen lassen. Das wird später bei den Youngsters auf Monzas und Cobras kaum anders gewesen sein.
Was soll nun ein Museum zeigen? Zeitgeist und Zeitgeschichte oder Werksgeschichte am Beispiel von Originalfahrzeugen? Beides ist interessant. Suchen Sie in unserer aktuellen Ausstellung jene MC50 II, die originaler nicht sein könnte, da werden Sie staunen. Aber mir würde es auch sehr gefallen, daneben eine „Easy Rider-MC“ zu sehen, denn das ist ein Stück meiner Jugendzeit.
Votruba schreibt:
„Als ‚das’ Steyr Puch Museum und noch dazu an so einem historischen Platz, hat man als Besucher (und vor allem PUCHFAN) eine sehr hohe Erwartungshaltung!“
Das verstehe ich gut. Und würde uns Votrubas Verein auch noch das nötige Millionenbudget beschaffen, es ließe sich ein Stab von Historikern, Kuratoren und Technikern engagieren, es ließen sich auch einige marktkundige Agenten bezahlen, die sich in der Welt laufend umsehen, um Lücken in der Sammlung zu schließen.
So könnte ein Museumsbetrieb nach den Regeln entstehen, wie bei einem Universalmuseum Joanneum [link] oder einem Technischen Museum Wien [link] … inklusive Putztrupps, Hauselektriker, Nachtwächter etc.
Aber wollte das hier eigentlich jemand?
Votruba weiter:
“Das müsste doch auch im Interesse des heutigen Magna Konzern sein, stolz auf die Vergangenheit zu sein. Sichtlich zumindest bisher, vermute ich aber leider das Gegenteil.“
Da liegt offenbar eine Verwechslung vor. Magna Steyr unterstützt dieses Projekt großzügig, aber dies ist kein Werksmuseum von Magna Steyr.
Denken Sie etwa an das Porsche-Museum in Stuttgart, wo eine höchst erfolgreiche Automarke die eigene Geschichte mit einem astronomischen Aufwand würdigt: [link] Das sollte bezüglich Intention und Budget nicht mit einer Privatinitiative wie dem Puch-Museum verwechselt werden.

Ganz und gar nicht oder aber extrem original: Ein Unikat auf Basis von Puch Fahrrad- und Moped-Teilen
Magna baut zwar Autos, ist aber mit keiner eigenen Automarke auf dem Markt präsent, hat also, wie ich annehme, puncto Werksgeschichte andere Prioritäten als etwa Audi, Porsche oder Mercedes-Benz, die sich in ihren Gedenkstätten natürlich konsequent selbst darstellen.
Dort, im Porsche-Museum, bleibt natürlich kein Staub liegen, schon gar nicht in den Waschräumen, dort blitzt alles und ist wohl geordnet, kuratiert, katalogisiert… Das ist etwas völlig anderes als die Halle P des vormaligen Einser-Werkes.
Das Johann Puch-Museum Graz ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Kräfte. Angelpunkt ist ein Trägerverein, der diese Kräfte koordiniert. Doch die Ausstellungsstücke sind nicht im Besitz des Vereins. Sie sind Leihgaben von Liebhabern, Enthusiasten, letztlich auch von Leuten wie Herrn Votruba. Und sie sind Leihgaben von Firmen, wie unter anderem Magna Steyr.
Das bedeutet, im Museum kann nur das gezeigt werden, was diese Liebhaber und Firmen gerade zur Verfügung stellen. Wie angedeutet, wenn das zum Beispiel eine verbastelte Monza ist, dann repräsentiert dieses Artefakt zwar nicht die Werksgeschichte, aber ein Stück Sozialgeschichte und Lebensrealität jener Zeit. Das sind zwei grundverschiedene Themen und Aufgabenstellungen.
So gesehen steht das Johann Puch-Museum eher in der Tradition der „Wunderkammern“ und Privatsammlungen. Die haben freilich eine kulturgeschichtlich weit längere Tradition als jener Museumstyp, in dem kuratiert, geordnet und katalogisiert wird.

Zusätzlich die Aura-Frage: Auf welchem der Artefakte ruhte tatsächlich die Hand des Altmeisters und was lag nur zufällig dort herum?
Das sind also zwei kultur- und sozialgeschichtlich grundverschiedene Konzepte von Depots und Ausstellungen. Das Konzept des Johann Puch-Museums ist das einer permanenten Veränderung entlang aktueller Debatten und Leidenschaften, entlang verfügbarer Preziosen und Liebhaberstücke.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Dieser Tage hatte ich eine sehr anregende Plauderei mit dem Techniker Kurt Engeljehringer, der bei AVL List im Bereich der Schadstoffreduktion tätig ist. Er besitzt einen Ford Model T.
Ich fragte ihn, ob die „Tin Lizzy“ gemeinsam mit der Puch Voiturette gezeigt werden könnte, damit anschaulich würde, welche Entwicklung die Automobilkonstruktion in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm, wenn genau NICHT bestehende Kutschen motorisiert, sondern „artgerechte“ Fahrwerke entwickelt wurden.

Gemeinderat Peter Piffl-Perčević (links) und Techniker Kurt Engeljehringer bei einer Debatte von Provenienzfragen
Engeljehringer stimmte zu und ich werde ihn jetzt gewiß nicht fragen, ob sein Ford völlig unverbastelt ist, denn dieser Aspekt interessiert mich für das spezielle Vorhaben nicht. Wenn es also im Museum zu dieser konkreten Zusammenschau kommen wird, wendet sich das nicht primär an Puristen.
Aber mir leuchtet natürlich ein, insgesamt verstehe ich die Votruba-Vorhaltungen vor allem als Empfehlung, sich beim Beschildern der Ausstellungsstücke um möglichste Stichhaltigkeit zu bemühen. Und das darf vom Publikum selbstverständlich erwartet werden.
— [Die Debatte] —
Das trifft den Nagel auf den Kopf. Welches Museum will man, welches erwartet man und natürlich welches kann man sich leisten. Bei letzterem hätte die Stadt Graz als „Detroit der Alpen“ etwas mehr machen können. Aber egal wie viel Geld man hat, es wird nicht ein Museum geben das allen Ansprüchen gerecht wird.
Einige Beispiele:
Das neue Porschemuseum in Stuttgart oder das BMW Museum in München hat ganz tolle Autos ausgestellt, aber selbst als Hardcore Auto Liebhaber hat mich dort die Architektur und die Art und Weise wie die Fahrzeuge präsentiert werden mehr beeindruckt als die Fahrzeuge. Schön zu sehen, dass z.B. der Architekt des Porschemuseums eine Österreicher war.
Das Mercedes Museum in Stuttgart wiederum präsentiert hervorragend die Mobilitätsentwicklung und in welchem gesellschaftlichen Umfeld diese abgelaufen ist, ja und natürlich sieht man auch viele schöne Autos.
Die Autostatt in Wolfsburg von VW zeigt die Fahrzeuge der Marken des Konzerns aber widmet sich im Museum hauptsächlich dem Thema Mobilität.
Das Henry Ford Museum in Detroit, hat sehr viele Exponate und auch ganz tolle, aber sie stehen nur so herum, wie das halt in Museen früher üblich war. Aber gleich daneben, gibt es Greenfield Village, eine Art Freilichtmuseum Stübing auf Amerikanisch, da kann man durch die Historie spazieren gehen und sie nacherleben vom Fahrrad Geschäft der Gebrüder Wright (erstes motorbetriebenes Flugzeug) rüber zur Fertigung von Ford. Und wenn man nicht gehen will kann man sich auch in einem originalen Ford Model T hinfahren lassen.
Das Wiener Technische Museum, na ja eine Mischung vom allem.
Mir hat noch jedes Museum gefallen, man muss sich das anschauen was gezeigt wird. Die Enttäuschung und Unzufriedenheit kommt von zu hohen Erwartungen (Buddhistische Weisheit).
P.S.: Auch wenn du nicht fragst. Ja natürlich ist mein Ford „verbastelt“. Ich für mich würde es für fahrlässig halten ein altes Auto nicht mit Bremslichter und Blinkern zu verbasteln. Die anderen Verkehrsteilnehmer sind nicht mehr gewöhnt auf Handzeichen zu schauen und bei der Verkehrssicherheit hört sich Originalität auf. Der alte Henry Ford hat seine Autos zum Fahren gebaut und nicht zum Herumstehen.
Ah, wie erfreulich, die Debatte bekommt Fleisch an den Knochen. Ich werde so frei sein, einzelne Aspekte davon in einen weiterführenden Beitrag zu übernehmen.
Du schneidest eine Reihe interessanter Fragen ausdrücklich oder implizit an. Etwa: Was meint „ORIGINAL“? Wenn ein Fahrzeug die Fabrik verläßt, hat es einen anderen Status als wenn es 30 Jahre im Alltag benutzt wurde oder dann 60 Jahre später in einer Scheune ausgegraben wird.
Das Original des Produzenten? Das Original des Benutzers? Das Original des Sammlers, der dieser oder jener Denkrichtung anhängt?
Und was soll heutzutage ein Musuem? Was IST ein Musuem überhaupt? Und was soll die Befassung mit Vergangenheit? Und und und…
>>Der alte Henry Ford hat seine Autos zum Fahren gebaut und nicht zum Herumstehen.<< Soll auch Enzo Ferrari betont haben, als man die miesen Bremsen seiner Fahrzeuge beklagt hat, nämlich, daß sie zum Fahren und nicht zum Bremsen gemacht seien...
Hallo Puchfreunde und liebe Museumsbesitzer und Betreuer!
Ich möchte nochmal unterstreichen, dass ich es wirklich sehr gut finde, dass es ein „Steyr-Puch Museum“ gibt!
Leider wie Sie ja schon geschrieben haben, wird das alles anscheinend privat finanziert und dafür muss man sagen, macht sicher jeder von Ihnen einen sehr guten Job.
Leider gibt es seitens des Magna Konzern laut Ihnen, wenig Unterstützung und das ist wieder ein „österreichisches Problem“, statt auf seine Geschichte und deren Kulturgut welches heute noch vorhanden ist, stolz zu sein und dieses zu erhalten, müssen hier in Österreich, private Personen auf einem kulturträchtigen Platz, wo einst das PUCH Einser Werk war, mit privaten Geldern ein Museum finanzieren.
Obwohl dieses Museum normalerweise inhaltlich als „historisch für Österreich, einzustufen wäre, kümmert sich weder der Staat und auch nicht die „Nachfolger“ dieser traditionellen Marke um eine sinnvolle Finanzierung .
Puch ist ja nicht nur ein Firmenname, Puch ist DIE österreichische Zweirad und KFZ- Geschichte die in all den Jahren in Österreich geschrieben wurde.
Johann Puch war einer der Pioneere des Zweirad und des Fahrzeugbaus auf dieser Welt!
Jeder Österreicher sollte stolz auf unsere Geschichte sein und es gibt auch kaum jemanden, der seine Jugend nicht neben oder mit einem oder mit mehreren dieser Fahrzeugen, verbracht hat. Puch war auch in meiner Jugendzeit, der Inbegriff von Qualität und das Non plus ultra und vor allem fehlte etwas Vergleichbares, Puch war eben das beste was man kriegen konnte. Damals undenkbar, dass es Puch einmal nicht mehr geben sollte.
Sie schreiben von dem Porsche Museum und vom Mercedes Museum in Stuttgart, beides große Konzerne und beide sind sich der Bedeutung Ihrer Geschichte mehr als bewusst und das spiegelt sich in diesen Museen wieder!
Das vermisse ich in Graz! Der heutige Magna Konzern könnte mehr als nur profitieren, wenn es ein Museum im Stil von Mercedes oder Porsche mit Namen „Steyr-Puch Museum“ geben würde.
Es wurde ja immer nur das Beste vom Besten bei Steyr Puch gebaut, egal an welche Fahrzeuge, Zweiräder oder KFZ oder LKW und egal an welches Jahr ich denke!!
Die Marke Steyr-Puch ist doch WELTWEIT legendär!!!
Alle Techniker und Ingenieure seit Anbeginn waren TOPLEUTE und haben Fahrzeuge für die Ewigkeit gebaut!
Auch und gerade diese Menschen, sollten Platz in einem Museum finden!
Wie zum Beispiel Ing. Kuttler, der unter vielen anderen Fahrzeugen auch die legendäre MS 50 baute.
Diese Leute haben damals wirklich Geschichte geschrieben!
Geschichte die leider ungeschrieben bleibt.
So wie es ja anscheinend auch ein Geheimnis bleibt, ob die Zweiradproduktion (Moped und Fahrräder) damals Konkurs machten oder alles an Piaggio verkauft wurde?!
Es wurden ja damals angeblich mit Spitzhacken Mopedzylinder auf Aufruf des Masseverwalters zerschlagen und angeblich Tonnenweise Ersatzteile entsorgt, was ja auf einen Konkurs hinweist.
Angeblich wurde von den Italienern ja nur die Rechte für den E 50 Kat Motor (Maxi) gekauft?! Dieses graue Kapitel welches 1987 geschrieben wurde, ist in keinem Sachbuch klar und deutlich niedergeschrieben worden! Da gibt es sichtlich eine Grauzone über die man in Graz nicht sprechen will, daher will sich auch anscheinend niemand so richtig mit der Vergangenheit in Sachen Zweirad auseinander setzen.
Traurig aber leider TYPISCH für unser Land!!
Aber vielleicht wissen Sie ja mehr über dieses Kapitel!
Das wäre zum Beispiel wichtig, zu erfahren!
Liebe Grüße
Wolfgang Votruba
Danke für Ihre detaillierte Stellungnahme!
Auf einen Punkt muß ich hier eingehen:
>>Leider gibt es seitens des Magna Konzern laut Ihnen, wenig Unterstützung << Das halte ich für ein Mißverständnis. Magna Steyr engagiert sich ganz erheblich für das Puch-Museum, bietet also nicht zu knapp Unterstützung. Es war aber zu betonen, daß a) Magna mit keiner eigenen Automarke auf dem Markt ist und b) das Puch-Museum kein Magna-Werksmuseum ist, ...was vermutlich zwingend zu anderen Prioritäten führt. Genau DARUM auch die Erwähnung von Porsche und Co., deren KonzernGESCHICHTE und GEGENWART sich halt essenziell von jener Magnas unterscheidet, um den UNTERSCHIED der institutionen deutlich zu machen. Wenn man aber bedenkt, es gibt in der Steiermark einen Autocluster etc., dessen Betriebe teilweise Weltrang haben. Da ist ja nicht auszuschließen, daß wir vielleicht über gemeinsame private und öffentliche Anstrengungen in eine Zukunft gehen, in der MOBILITÄTSGESCHICHTE am steirischen Beispiel mehr Gewicht erhält und damit auch mehr Ressourcen...
…das wäre natürlich wünschenswert.
Und wissen Sie etwas, wie war das 1987, war es ein Konkurs oder wurde alles verkauft?
Meines Wissens hat es keinen Konkurs gegeben. Aber in dieser Frage bin ich nicht sachkundig. Ich schau amal, wer da mehr weiß.
Bei der Gelegenheit, das:
>>kümmert sich weder der Staat und auch nicht << ist zum Glück auch unzutreffend. So sind etwa Stadt Graz und Land Steiermark als Förderer fix im Boot. Ohne die aktuellen Fördergeber und Sponsoren, wäre das Museum in der Dimension ganz unmöglich. Ich denke, es ist ganz gut, daß hier nicht einfach nur "der Staat" alles richten soll, sondern daß im KERN eine PRIVATE Initiative steht, deren Anstrengungen dann vom Staat (Stadt & Land) und der Wirtschaft (Magna und andere) verstärkt werden...
…da haben Sie sicher recht! Überall wo der Staat zu viel drinnen hängt, schaut es auf Dauer auch wieder schlecht aus (das Ergebnis von 1987). Bitte wenn Sie mir die Frage der Schließung beantworten könnten, dann hab ich wieder etwas dazugelernt!
Danke für das posting unserer Veranstaltung und nix für ungut!