Alte Meister

Falls Sie beim Titel dieses Beitrages nun spontan an Beethoven oder Rembrandt gedacht haben, auch gut! Aber die beschäftigen mich gerade nicht. Solche Säulenheilige des bürgerlichen Bildungskanons sind inzwischen ja selbst beim Bildungsbürgertum ein wenig aus der Mode gekommen.

Sigi Cmyral (links) und Fredi Thaler repräsentieren eine Kategorie von Handwerkern, denen der Blick auf das "Große Ganze" wichtig ist

Das wirft für mich augenblicklich keine vorrangigen Fragen auf. Ich suche andere kulturelle Bezugspunkte und hab begonnen, ältere Herren zu besuchen, die bei allen Kontrasten eines gemeinsam haben.

Sie repräsentieren erhebliche handwerkliche Kompetenzen. Die sind, wie man wissen könnte, niemals bloß eine Sache der Hände. Mich interessieren die Bedingungen und die Konsequenzen so einer Kompetenzbildung.

Darin weiß ich längst eine Art der Mischung von Hand- und Kopfarbeit, die in solchen Formen quasi eine „bedrohte Art“ ergibt, denn immer weniger Firmen stellen Bedarf und Bezahlung solcher Kompetenzen sicher. Wie läßt sich eine derart komplexe Sache in wenigen Worten zusammenfassen?

Aus meinen bisherigen Gesprächen mit Altmeister Fredi Thaler scheint mir klar: Wem die „Arbeit am Ganzen“ verwehrt bleibt, wer immer nur am Teil, am Ausschnitt einer Sache arbeitet, hat geringe Chancen, ein tieferes Verständnis seiner Materie zu erlangen.

War das jetzt noch zu umständlich formuliert?

Ich versuch es anders. Wir leben schon lange in einer strikt arbeitsteiligen Gesellschaft. Das hat ein paar Voreile, aber auch gravierende Nachteile.

Wo Menschen zu Spezialisten werden müssen, die immer mehr von einem immer kleineren Ausschnitt der Welt bearbeiten sollen, schlittern wir früher oder später in Problemlagen.

Mich fasziniert an Leuten wie Fredi Thaler und Sigi Cmyral, welche kniffligen Aufgabenstellungen sie sich immer wieder suchen, sie bewältigen, und welche Rahmenbedingungen sie sich dazu geschaffen haben.

Beide Männer haben das formelle Erwerbsleben längst hinter sich, sind also „in Pension“. Sie waren im Grazer Puchwerk tätig. Sie kommen aus einer Industrie, bevor dort sehr viele handwerkliche Bereiche an die EDV übergeben wurden und sich heute als Simulationen in Computern ereignen.

Sigi Cmyral restauriert und fährt Motorräder, die weit mehr als ein halbes Jahrhundert alt sind

Das Be-greifen von Zusammenhängen hat eben vielfach auch damit zu tun, daß man etwas angreifen, in die Hand nehmen kann.

Was finde ich also bei den alten Meistern? Ein kraftvolles Verständnis komplexer Zusammenhänge und Kenntnisse, von denen dieser Gesellschaft viele inzwischen verlorengehen, weil der Bedarf dafür aus ökonomischen Gründen in den Keller gefallen ist.

Ich bin also mit dieser Reise, die eben erst begonnen hat, auf den Spuren von Wissen, das uns demnächst schmerzlich fehlen könnte.

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Martin Krusche, Künstler, siehe: [link]