Laurin & Klement 125 in Nahaufnahme

In einer einzelnen Familiengeschichte das Abbild des 20. Jahrhunderts. Wie das gemeint ist? Ich hab das „Stammhaus“ gesehen. Der Ausgangspunkt, ein „Halbhäusel“. Eine bescheidene „Keuschn“: Kuchl und Zimmer, aus. Mehr war das anfangs nicht. Standard des agrarischen Lebens in der Oststeiermark, einem einstugen „Armenhaus“ Österreichs.

Karl "Charly" Haar: Ingenieur, Lehrer, Handwerker, also Pendler zwischen verschiedenen Welten

Wie mir kürzlich Maria Gsellmann, die Schwiegertochter des Erbauers der „Weltmaschine“, sagte: Wer nicht hart gearbeitet hat, der hatte nichts zu essen. Siehe: [link]

Später haben tüchtigen Leuten die Keuschn über die Jahrzehnte langsam ausgebaut; zu einer für diese Region so typischen kleinen Selbstversorgerwirtschaften gemacht. (Sie kennen den Unterschied zwischen fleißig und tüchtig? Viel arbeiten ist eine Sache, aber es muß dabei auch was rausschauen, das ist die andere.)

Schließlich dieser exemplarische Verlauf. Der Vater ein Handwerker, Fabriksarbeiter, unter anderem im Grazer Puchwerk. Das ist ein sicherer Ausweg aus den ertragsarmen Verhältnissen der Kleinhäusler. „Von ihm hab ich alles gelernt“, sagt der Sohn, Diplomingenieur, Bereich Maschinenbau, Lehrender: „Was ich vortrage, das kann ich auch.“

Aber inzwischen ist Karl „Charly“ Haar nebenbei zum Handwerk zurückgekehrt, denn in seiner Freizeit widmet er sich Automobilen aus den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. So bekomme ich auch diesen 1926er Laurin & Klement zu sehen. Kurz davor, 1925, hatte Skoda das Werk gekauft. Der Kühler zeigt noch beide Embleme. Umbrüche.

In den 1920er-Jahren waren die Chassis von PKW und Lastwagen oft identisch, die Aufbauten hauptsächlich aus Holz

Kleine Querverbindung:
Konstrukteur Carl Slevogt, für Laurin & Klement von erheblicher Bedeutung, war auch im Hause Puch tätig gewesen. Diese frühe Ära der Automobil- und Motorradentwicklung ist überhaupt voller Bezüge unter nicht allen aber doch den meisten wichtigen Automobilproduzenten in den Reichen der Habsburger und Hohenzollern. Ingenieure und Handwerker wechselten oft zwischen den verschiedenen Betrieben.

Aber noch einmal kurz zurück zu Vater und Sohn Haar, dem Handwerker und dem Ingenieur.

Parallel dazu Puch: der Handwerker und Slevogt: der Ingenieur. Daß sich diese Wege gegabelt haben – Handwerker/Wissenschafter — ist ganz wesentlich ein Sturm der Ereignisse des späten 19. Jahrhunderts. Handwerker und wissenschaftlich gebildete Fachkräfte sind hier Repräsentanten verschiedener sozialer Terrains auf den gleichen Arbeitsfeldern.

Das ist also eine sehr interessante Zeit, was gesellschaftliche und technische Entwicklungen angeht; im Wechselspiel der Kräfte zwischen den Genres.

Kein Zylinderkopf. Die Ventile mußten durch Auslassungen in den Motorblock gesenkt werden.

Aus einem Gespräch mit der Ingenieurin Heike Teichmann (AVL List) habe ich die Anregung mitgenommen, daß ihre berufliche Qualifikation nicht zwangsläufig bedeutet, sie würde an Motoren herumschrauben. Teichmann: „Ich arbeite mit Bildern.“ Noch genauer: Sie arbeitet mit Rechenmodellen und Simulationen.

Charly Haar ist nun das Kind eines Handwerkers, graduierter Ingenieur, also „Maschinenwissenschafter“, durch seine Befassung mit der Restauration von sehr alten Automobilen aber wieder tief in das alte Gebiet eingetaucht. Das ergibt eine sehr interessante Mischung der Kompetenzen und der Optionen, was seinen Platz in der Welt dieser Dinge angeht. Ein Thema, das nach ausführlicherer Beschäftigung verlangt.

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Martin Krusche, Künstler, siehe: [link]