Subject: Nicht Ihr Fahrzeug!

Die erste Nachricht kam anonym, nannte einen Link auf eine unserer Motorblog-Seiten, lautete so: „entfernen Sie das Bild von meinem Fahrzeug umgehend von Ihrer Seite!!!“ Gelegentlich kommt eben sehr unfreundliche Post ins Haus.

Puch G: Hab mit dem Besitzer geplaudert. Er wird sich vermutlich nicht beschweren.

Manche Menschen sind mit dem jungen Medium Internet in einigen Grundlagen noch wenig vertraut, obwohl sie es bedenkenlos nutzen. Heuer war unsere Serie „Sichtungen“, in der wir zeigen, was an Produkten der historischen Steyr-Daimler-Puch AG noch auf unseren Straßen bewegt wird, ein Anlaß für geballte Unfreundlichkeit.

Dazu schrieb eine anonym verbliebene Person: „Mit großem entsetzen bin ich neulich bei einer google Recherche über ein Bild von meinem Fahrzeug gestolpert, veröffentlicht auf Ihrer Seite.“ Entsetzen? Und: „Ich fordere Sie auf das Bild umgehend aus dem Netz zu nehmen!!!“ Was genau wäre daran so entsetzlich? Warum fordern, wo man auch ersuchen könnte? (Es ging um einen LKW.)

Jemand fährt im öffentlichen Raum auf öffentlichen Straßen und meint, das sei eine private Angelegenheit? Aber ja, eine Person, die nicht dem öffentlichen Leben zugerechnet werden kann, darf auch nicht ohne Einwilligung medial exponiert werden, hat ein uneingeschränktes Recht, über das eigene Bild zu verfügen. Siehe: „Recht am eigenen Bild“ [link]

Es darf nicht einmal ein Fotogeschäft ohne Ihr Einverständnis Fotos von Ihnen zu Werbezwecken ins Schaufenster hängen. Ist jemand via Medien schon bekannt oder sind mehrere Personen zu sehen, gelten freilich andere Regeln. Aber auch in dieser Situation muß geltendes Recht beachtet werden. Es geht stets darum, daß ein dazu nicht Befugter keinesfalls widerrechtlich in die Privatsphäre des Einzelnen eingreift. Öffentliche Straßen zählen freilich nicht zur Privatsphäre.

Ein Auto, Moped oder Fahrrad hat demnach keine solchen Rechte. Das heißt, ich darf diese Gegenstände im öffentlichen Raum fotografieren. Das hat mit einer grundsätzlichen Abbildungsfreiheit zu tun und fällt im weitesten Sinn unter den Bereich Panoramafreiheit; siehe: [link]

Diese Maxi Turbo 2 im öffentlichen Raum hat keine Persönlichkleits- und keine Bildrechte.

Das österreichische Recht besagt, ein Täter mache sich in diesem Sinn nur strafbar, wenn er ein „berechtigtes Interesse” des Einzelnen verletzt. Ihm könne aber auch der Rechtfertigungsgrund eines besonderen öffentlichen oder privaten Interesses zugute kommen. Andrerseits könnte jeder Angriff auf die Personenwürde oder die Herabsetzung der Ehre geahndet werden.

Um deutlich zu machen, was zum Beispiel als strafwürdig gilt, schrieb Clemens Thiele zum Thema „Unbefugte Bildaufnahme und ihre Verbreitung im Internet“ unmißverständlich: „Die Aufnahme etwa von Bildern einer Mieterin durch eine Minikamera, die der Vermieter in der Dusche installiert hat, wiegt in ihrem Unrechtsgehalt mindestens ebenso schwer wie die heimliche Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes.“

Thiele präzisiert: „Zur Privatsphäre werden jedenfalls die intime Sphäre eines Menschen zu zählen sein, seine spezifischen Interessen, Neigungen und Gewohnheiten, die Ausdruck seiner Persönlichkeit sind. Kennzeichnend für das Privatleben ist die ‚Nichtöffentlichkeit’…“

Dazu zählt Thiele weiters: „Einen Kernbereich der Privatsphäre bilden die Wohnung, das eigene Haus und andere Räumlichkeiten, in denen sich eine Person – allenfalls auch nur vorübergehend – aufhält, wie beispielsweise ein Hotelzimmer. Es wäre freilich verfehlt, den Begriff der Privatsphäre nur mit dem Privatleben in den eigenen vier Wänden gleichzusetzen.“

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte klar, daß derlei Schutzwürdigkeit nicht erst in örtlicher Abgeschiedenheit beginnt, unterscheidet also nicht primär anhand lokaler Kriterien. Thiele: „Für ihn ist in erster Linie der Inhalt der Bildaufnahme und der damit verbundenen Berichterstattung entscheidend.“ Es geht also um Kontext. Der Zusammenhang zählt.

Wenn ich daher Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen fotografiere, ohne dabei Personen preiszugeben, und das hier auf der Museums-Website dokumentiere, sind damit niemandes Rechte verletzt. Bliebe noch die Frage, ob man auf solchen Fotos die Kennzeichen lesbar belassen dürfe oder nicht.

Die Kanzlei Dr. Bahr berichtet von einem deutschen Fall, der vor etwa einem Jahrzehnt zu folgendem Leitsatz führte: „Die Veröffentlichung eines KfZ-Kennzeichens auf einer Webseite verletzt den betreffenden Fahrzeuginhaber nicht in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dies wäre nur bei Vorliegen weiterer Umstände der Fall , z.B. wenn die Informationen mit einem Aufruf veröffentlicht würden, den PKW zu beschädigen.“ [Quelle]

Steyr 691: Kein Fahrer, kein Kennzeichen, kein Problem. (Allerdings: auf dem Privatgrund einer Firma. Das könnte einen Einspruch begründen.)

Harald Mizerovsky hat voriges Jahr Rechtsanwalt Georg Zanger zu solchen Themen eingehender befragt. Darf man überall und alles fotografieren? Zanger: „Diese Frage ist eindeutig mit JA zu beantworten, wenn es nicht wieder Ausnahmen gäbe. Es gibt in Österreich kein Fotografier-Verbot. Grundsätzlich darf also alles und jeder fotografiert werden. Die Ausnahmen stellen z.B. das Hausrecht oder auch in bestimmten Fällen das Personenrecht dar. So lange man sich auf öffentlicher Fläche befindet, darf man Häuser, Objekte, Landschaften – auch mit Hilfsmittel (Leiter, Selfiestick usw.) – aufnehmen und veröffentlichen bzw. vervielfältigen.“

Zanger betonte überdies: „Sofern einen Person nicht zum Ausdruck bringt, dass sie nicht fotografiert werden will, darf in Österreich eine Person auch am Foto erkennbar sein. Für die Veröffentlichung gilt, dass die Interessen der Person nicht missachtet werden dürfen.“ Und: „Bei öffentlichen Veranstaltungen muss jeder Besucher damit rechnen, dass dort auch fotografiert wird und gegebenenfalls die Fotos auch veröffentlicht werden.“ [Quelle]

Wer also Fahrzeuge im öffentlichen Raum ablichtet, ohne dabei Personen vorzuführen, wer dann eventuell noch die Kennzeichen verpixelt und solche Fotos im Web publiziert, ist auf der sicheren Seite. Solche Post, wie sie uns aus anonymer Quelle erreicht hat, ist einfach unrealistisch: „Weiters empfehle ich Ihnen künftig das Einverständnis zum Machen und erst recht zum Veröffentlichen von Fotos fremder Leute (Dinge) einzuholen.“

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Martin Krusche, Künstler, siehe: [link]