Fließband

Fahrzeuge: Puch U3

Wer die Pucherl auch heute noch auf der Straße erkennt, hat dennoch vielleicht keinen der Prototypen je gesehen. Sie sind, bis auf ein einzelnes Blechteil, verschollen. Aber es gibt Fotos. In einem Gespräch mit Ferdinand „Fredi“ Thaler [link] und Ing. Harald Sitter [link] habe ich erfahren, die Karosseriebleche der Prototypen seien zuletzt unter einer Rampe auf dem Werksgelände gelegen. Sie wurden also entweder verschrottet oder es hat sie ein Liebhaber mitgenommen.

Der Prototyp Puch U3

Wir machen uns gewöhnlich keine Vorstellung, was Massenproduktion für eine komplexe Angelegenheit ist. In der Automobilgeschichte hat es bei uns gut ein halbes Jahrhundert gedauert, bis sich nach den ersten modernen Automobilen die Fließbandfertigung etablieren konnte.

Als die Entscheidung gefallen war, daß in Steyr nur mehr LKW produziert werden sollten und die PKW-Produktion der Steyr-Daimler-Puch AG sich in Graz abspielen solle, als klar war, daß es einen eigenen PKW made in Thondorf geben werde, entstanden einige Prototypen, die nicht erhalten geblieben sind.

Wenn sich der noch existierende Motordeckel des U3 wie etwas Biologisches klonen ließe könnte man ja vielleicht so a la „Jurassic Park“ einige frühe Pucherln aus der Retorte holen. Aber das geht eben nicht. Immerhin gibt es noch ein paar wenige Fotos aus jener Zeit. Eines (oben) konnte ich im Archiv von Karlheinz Rathkolb entdecken.

Der U3 als Kartonmodell aus der Werkstatt von Michael Toson

Das Bild zeigt den properen U3. Die Bremstrommeln zeigen schon, was Sache ist. Die „Wulst“ über dem Radkasten ist keineswegs bloß Gestaltungselement, wie sie es etwa beim Mercedes-Benz 190 SL, dem „kleinen Bruder“ des legendären „Flügeltürers“, war. Sie hat hier eine praktische Funktion. An der Unterseite gab es links und rechts Luftschlitze zur Beatmung des Heck-Motors.

Des kecke Ende des Kotflügels, in dem die Rückleuchte ruht, verrät uns heute, daß man damals keine Scheu hatte, an großen Designs Maß zu nehmen. Aber es erwies sich ökonomisch als chancenlos, so eine Karosserie in Serie zu produzieren, weshalb die Entscheidung zu Karosserieblechen des langjährigen Kooperationspartners Fiat führte.

Nach einem Holzmodell im Museum entwarf Michael Toson [link] einen Bastelbogen, mit dem sich der U3 als Miniatur nachbauen läßt.

— [Fahrzeuge] —

Was das Pucherl bedeutet

Was separat als Austro-Daimler, Steyr und Puch begann, entfaltete über rund ein Jahrhundert eine sehr komplexe Geschichte der Verflechtungen, Erweiterungen, Fusionen, Auflösungen, Umgestaltungen. Das moderne Automobil ist seit etwa 1900 da und zeigte sich in vielen Variationen. Heute repräsentiert Magna Steyr diese Konzerngeschichte.

Ein Bild aus dem Jahr 1910. Fließbandproduktion gab es bei uns erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch Johann Puch trat in jenem Jahr 1900 erstmals als Automobilbauer auf die Bühne der Wirtschaft: [link] Das war kein Probieren und Herumstümpern, sondern der zielgerichtete Start zu einer eigenen Erfolgsgeschichte. Fünf, sechs Jahre später ist die Sache vorzüglich in Schuß, die Voiturette aus jener Zeit ist ein Meilenstein österreichischer Mobilitätsgeschichte. 1910 ist Puch ein Automobilproduzent, den die Konkurrenz quer durch Europa ernst nehmen muß.

So wurden 1910 Autos gebaut.

Nach seinem Tod erschüttert der Erste Weltkrieg den Kontinent, das Puchwerk ist vor allem im Lastwagenbau gefordert. In der Zwischenkriegszeit herrscht allerhand Not, außerdem ist die Mittelschicht weitgehend finanziell ruiniert (Kriegsanleihen etc.). Das heißt, der Automobilismus findet noch kein Massenpublikum.

Der Altmeister erlebte diese Zeit nicht mehr: Ein Inserta von 1916.

Das hat sich auch in den 1930er- und 1940er-Jahren nicht geändert. Was da an Autos auf unseren Straßen fuhr, ist zum geringsten Teil in persönlichem Privatbesitz gewesen, es dominierten Firmen- und Behördenfahrzeuge.

Erst nach 1945 setzt sich in Europa die Fließbandproduktion durch und kommen Auto-Konstruktionen auf den Markt, die eine preiswerte Massenfertigung möglich machen. Dadurch beginnt jene Massenmotorisierung, welche dem „Puch-Schammerl“ seinen besonderen Stellenwert gibt. Endlich konnten sich Leute ein „richtiges Auto“ leisten, die davor nicht einmal träumen durften, einen eigenen Wagen zu besitzen.

Was in den 1960ern solides Familienfahrzeug war, wurde oft in den 1970ern von jungen Leuten als gebrauchtes Erstauto gesucht und verlor dabei auch leicht die Originallackierung.

In den 1970ern, als jemand wie ich den ersehnten Führerschein in Händen hielt, waren die Pucherln als preiswerte Gebrauchtwagen zu haben. Da hatte ich zuvor aber schon auf Fahrrädern und Mopeds von Puch erlebt, was man an individueller Mobilität schätzen konnte. So steht das Pucherl zeitlich, technisch, ökonomisch und emotional an der Schwelle einer „Automobilgesellschaft“, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte.