Harald Sitter

Reden, reden, reden…

„Und wenn man das Glück hat mit den Leuten dort ins Reden zu kommen, bekommt man noch einmal eine zweites Museum dazu, über die Geschichten der Mobilitätsentwicklung und über die vielen kleinen Geschichten um die Marke PUCH.“

Was der Techniker Kurt Engeljehringer da in einem Feedback betont hat, beinhaltet eine prächtige Metapher für das, was jene Menschen repräsentieren, die „dabei gewesen“ sind. Es ist gewissermaßen das „Virtuelle Museum“, welches sich aus dem Wissen und den Erzählungen von Zeitzeugen ergibt.

Ingenieur Harald Sitter hatte in den 1950ern noch mit den Prototypen zu tun

Ich nennen ein Beispiel. Sie werden es vermutlich in keinem Buch gelesen haben, daß vom Ingenieur Harald Sitter, der 1956 bei Steyr-Daimler-Puch an Bord gegangen ist, nicht bloß der hauseigene Pinzgauer-Motor stammt. Sitter zeichnet auch für die zwei Typen der Puch Vierzylinder-Boxermotoren verantwortlich, Typ 750 und Typ 752, von denen nur wenige Einheiten gebaut wurden. Für welches Fahrzeug?

Für den Puch S, den Spider. Naja, das war jetzt leicht, wenn man öfter im Museum ein- und ausgegangen ist. Aber was weiß der Mann so alles zu erzählen, da er in dieser intensiven Zeit Mitarbeiter der Steyr-Daimler-Puch AG gewesen ist?

Vier Zylinder? Boxer? Luftgekühlt? Genau! Original Puch.

Engeljehringer betont solche Aspekte, wie sie auch zu den Grundlagen der Oral History gehören, also jener erzählten Geschichte, die im Kopf der Zeitzeugen erhalten ist, wovon dann diverse Quellen und Artefakte eben nicht erzählen: „Das ist allemal interessanter als nur alle Varianten und jemals gebauten PUCH Fahrzeuge zu sehen.“

Ich nehme an, ab da werden nun die Ansichten und Wünsche auseinandergehen. Ich verstehe schon, daß auch Puristen ins Museum kommen, die Klarheit suchen, was historische Fakten angeht. (Denken wir nur die bisherigen Debatten über die Herkunft des „Edegger-Rades“.) Nein, man muß noch gar nicht Purist sein. Es ist ja auch eine Frage der stichhaltigen Deklaration und Beschilderung.

Ich hab an anderer Stelle schon gegenübergestellt: Werksgeschichte oder Zeitgeschichte? Das müßte vielleicht eher heißen: Werksgeschichte und/oder Zeitgeschichte! Sowas hängt dann von a) Intentionen und b) Kapazitäten ab. Also: a) Was möchte ich zeigen und b) Was kann ich mir leisten?

Eines von Engeljehringers zentralen Argumenten wird vermutlich nicht allen zusagen: „Es geht nicht darum, hier eine große Anzahl und Vielfalt von jedem Rad, Moped, Motorrad oder Auto zu sehen. Das interessiert nur die, die sie eh kennen, die brauchen kein Museum. Es geht darum, die Geschichte verständlich zu machen, was PUCH war und was hier in Graz passiert ist, so wie was daraus geworden ist – Erfolgsgeschichten wie der Steirische Autocluster.“

Geschichte verständlich machen!

Ein Plädoyer, nicht bloß einzelne Fakten zu betonen, sondern sich dem größeren Zusammenhang dieser Fakten zu widmen. Damit hab ich jetzt die mögliche „Originalitäts-Debatte“ noch nicht einmal angerissen. Die ist ja sehr interessant und ich bin neugierig, welche Ansichten hier dazu noch erfahrbar werden. (Bitte um Feedback!)

Eine legitime Frage: Monster oder Monza?

Engeljehringer zur Frage der „verbastelten Fahrzeuge“: „Und zur Geschichte gehören auch nie gebaute Monza-Modelle, die sehr wohl existiert haben. Kennt jemand auch nur einen, der eine Monza hatte und diese nicht umgebaut hat? Ich bin zu der Zeit in die Schule gegangen, leider konnte ich mir keine Monza leisten, aber ich kannte keinen der eine hatte und sie nicht umgebaut hatte. Das ist eben erlebte Geschichte und nicht nur das Verwalten der Historie.“

Ja, dazu wird es wohl auch kontroversielle Ansichten geben.

— [Die Debatte] —

Fahrzeuge: Puch U3

Wer die Pucherl auch heute noch auf der Straße erkennt, hat dennoch vielleicht keinen der Prototypen je gesehen. Sie sind, bis auf ein einzelnes Blechteil, verschollen. Aber es gibt Fotos. In einem Gespräch mit Ferdinand „Fredi“ Thaler [link] und Ing. Harald Sitter [link] habe ich erfahren, die Karosseriebleche der Prototypen seien zuletzt unter einer Rampe auf dem Werksgelände gelegen. Sie wurden also entweder verschrottet oder es hat sie ein Liebhaber mitgenommen.

Der Prototyp Puch U3

Wir machen uns gewöhnlich keine Vorstellung, was Massenproduktion für eine komplexe Angelegenheit ist. In der Automobilgeschichte hat es bei uns gut ein halbes Jahrhundert gedauert, bis sich nach den ersten modernen Automobilen die Fließbandfertigung etablieren konnte.

Als die Entscheidung gefallen war, daß in Steyr nur mehr LKW produziert werden sollten und die PKW-Produktion der Steyr-Daimler-Puch AG sich in Graz abspielen solle, als klar war, daß es einen eigenen PKW made in Thondorf geben werde, entstanden einige Prototypen, die nicht erhalten geblieben sind.

Wenn sich der noch existierende Motordeckel des U3 wie etwas Biologisches klonen ließe könnte man ja vielleicht so a la „Jurassic Park“ einige frühe Pucherln aus der Retorte holen. Aber das geht eben nicht. Immerhin gibt es noch ein paar wenige Fotos aus jener Zeit. Eines (oben) konnte ich im Archiv von Karlheinz Rathkolb entdecken.

Der U3 als Kartonmodell aus der Werkstatt von Michael Toson

Das Bild zeigt den properen U3. Die Bremstrommeln zeigen schon, was Sache ist. Die „Wulst“ über dem Radkasten ist keineswegs bloß Gestaltungselement, wie sie es etwa beim Mercedes-Benz 190 SL, dem „kleinen Bruder“ des legendären „Flügeltürers“, war. Sie hat hier eine praktische Funktion. An der Unterseite gab es links und rechts Luftschlitze zur Beatmung des Heck-Motors.

Des kecke Ende des Kotflügels, in dem die Rückleuchte ruht, verrät uns heute, daß man damals keine Scheu hatte, an großen Designs Maß zu nehmen. Aber es erwies sich ökonomisch als chancenlos, so eine Karosserie in Serie zu produzieren, weshalb die Entscheidung zu Karosserieblechen des langjährigen Kooperationspartners Fiat führte.

Nach einem Holzmodell im Museum entwarf Michael Toson [link] einen Bastelbogen, mit dem sich der U3 als Miniatur nachbauen läßt.

— [Fahrzeuge] —