In den letzten Jahren hat die Zahl der Alltagserscheinungen von alten Mopeds erheblich zugenommen. Puch Maxi waren ohnehin nie weg. Daisy und Stangl-Puch kommen einem immer öfter unter. Das KTM Ponny ist auch wieder salonfähig und straßentauglich.
Puch MC50
Gedenken: Johann Puch und die Folgen
Todestag, das klingt natürlich sehr ernst. Doch bei dieser zeitlichen Distanz greift das nicht als ein Thema von Traurigkeit.
Das Gedenk-Treffen zum 100. Todestag von Johann Puch war demnach von Fröhlichkeit geprägt, wo sich wenigstens vier Generationen an Menschen trafen, die einem Jahrhundert-Thema auf recht unterschiedliche Weise anhängen.
Kräftespiele
Ich bin mit den jüngsten Reminiszenzen noch längst zu keinem Ende gekommen. Die Neueröffnung war auch gewissermaßen ein Generationentreffen. Was die Steyr-Daimler-Puch AG ausgemacht hat, ist ja ein sehr komplexes Kräftespiel gewesen. Der einstige Verkauf ihrer Fahrradproduktion oder des Moped-Sektors erregt, wie ich erfahren durfte, bis heute die Gemüter.
Vor allem daß Bianchi 1987 den Fahrradbereich übernommen hat, sorgte seinerzeit für enorme Widerstände und scheint noch heute Unmut auszulösen. Über der Mopedproduktion schwebt sogar das Gerücht des „heimlichen Konkurses“.
Wenn man sich allerdings die damals weltweite Entwicklung der Fahrzeugindustrien ansieht, das Kundenverhalten etc., scheint einleuchtend, daß derartige Verkäufe und Umstrukturierungen genau verhindern sollten, daß ein Betriebszweig pleite geht. Erst im Blick zurück läßt sich dann beurteilen, ob das jeweils klug oder ein Fehler war.
Kleiner Einschub: Aber genau so verlief ja die ganze Konzerngeschichte seit Werndl, Daimler und Puch. Stets wurden Bereiche auf- und zugemacht, stets wurde neu gruppiert, fusioniert, abgestoßen.
Bianchi ist übrigens seit 1980 schon Teil von Piaggio gewesen. Eine Unternehmensgruppe, deren formeller Grundstein 1884 von Rinaldo Piaggio gelegt worden ist. Der stammte allerdings, im Gegensatz zu Johann Puch, aus einem gut situierten Unternehmerhaushalt.
Zurück zur Halle P. im Juni. Das Eröffnungskomitee repräsentierte jenes Zusammenwirken verschiedener Positionen, durch die der Bestand des Johann Puch-Museums möglich ist.
Da sind altgediente Puchianer, die einen sozialgeschichtlichen Teil des Ganzen ausmachen, von denen auch Know how und Ausstellungsstücke eingebracht werden. Da ist Magna Steyr, der Konzern, in dem die bisherige Firmengeschichte aufging. Hier trägt auch die Wirtschaft zum Bestand des kulturellen Projektes bei.
Da ist private Initiative, die sich mit dem Engagement der öffentlichen Hand trifft, die Rückhalt von lokaler Politik bekommt.
Das Eröffnungskomitee, von links: Auf der Bank sitzt der vormalige Betriebsratsobmann Alfred Gerd mit seiner Tochter. Neben ihm die Landtagsabgeordnete a. D. Annemarie Wicher. Stehend der Gemeinderat Hans Müller und Ingrid Heuberger, die Bezirksvorsteherin Liebenau. Dann das vormalige Magna Steyr-Vorstandsmitglied Gerhard Stiegler, mit dem Mikrophon Museumsleiter Karlheinz Rathkolb, schließlich die Gemeinderäte Peter Piffl-Perčević, Georg Topf und Gerti Schloffer.
— [Überblick] —
Was kann und soll das Museum?
Ich nehme an, Wolfgang Votruba, der Obmann des “Steyr-Puch Fahrzeuge Club Erlauftal“, ist ein engagierter Mann, dessen Emotionen am Thema hängen. Ich möchte daher als wohlgemeinten Ratschlag deuten, was wie eine Rüge klingt. Sein Kommentar zu unserer Einladung bezüglich Wiedereröffnung des Grazer Museums bietet neben den harschen Sätzen auch anregende Überlegungen. Die Quelle: [link]
Sein erster Satz läßt mich vermuten, daß vielleicht ein grundlegendes Mißverständnis besteht. „Ich hoffe, dass es im ‚neuen’ Museum nur Originalstücke (Zweiräder) und keine ‚umgebauten, nie existierenden Monza-Modelle’, wie zuletzt, gibt.“
Warum denn nur Originalstücke? Wer, wie ich, 1956 geboren wurde, weiß natürlich, daß wir uns zuerst die Daisies, dann die MC, die M50 Cross und Racing oder was immer wir in die Hände bekamen, umgebaut haben. Wir wollten alte Fahrzeuge „moderner“ aussehen lassen, wir wollten Serienfahrzeuge individualisieren, um einen möglichst unverkennbaren Auftritt zu haben, wir reagierten auch auf Modetrends. Beispiel: MC50 mit „Sternenbanner“- Tankbemalung, Sitzlehne und dickem Hinterrad als Referenz an den Film „Easy Rider“.
Wir wollten in den 1970ern die Mopeds schneller machen oder auf jeden Fall schneller aussehen lassen. Das wird später bei den Youngsters auf Monzas und Cobras kaum anders gewesen sein.
Was soll nun ein Museum zeigen? Zeitgeist und Zeitgeschichte oder Werksgeschichte am Beispiel von Originalfahrzeugen? Beides ist interessant. Suchen Sie in unserer aktuellen Ausstellung jene MC50 II, die originaler nicht sein könnte, da werden Sie staunen. Aber mir würde es auch sehr gefallen, daneben eine „Easy Rider-MC“ zu sehen, denn das ist ein Stück meiner Jugendzeit.
Votruba schreibt:
„Als ‚das’ Steyr Puch Museum und noch dazu an so einem historischen Platz, hat man als Besucher (und vor allem PUCHFAN) eine sehr hohe Erwartungshaltung!“
Das verstehe ich gut. Und würde uns Votrubas Verein auch noch das nötige Millionenbudget beschaffen, es ließe sich ein Stab von Historikern, Kuratoren und Technikern engagieren, es ließen sich auch einige marktkundige Agenten bezahlen, die sich in der Welt laufend umsehen, um Lücken in der Sammlung zu schließen.
So könnte ein Museumsbetrieb nach den Regeln entstehen, wie bei einem Universalmuseum Joanneum [link] oder einem Technischen Museum Wien [link] … inklusive Putztrupps, Hauselektriker, Nachtwächter etc.
Aber wollte das hier eigentlich jemand?
Votruba weiter:
“Das müsste doch auch im Interesse des heutigen Magna Konzern sein, stolz auf die Vergangenheit zu sein. Sichtlich zumindest bisher, vermute ich aber leider das Gegenteil.“
Da liegt offenbar eine Verwechslung vor. Magna Steyr unterstützt dieses Projekt großzügig, aber dies ist kein Werksmuseum von Magna Steyr.
Denken Sie etwa an das Porsche-Museum in Stuttgart, wo eine höchst erfolgreiche Automarke die eigene Geschichte mit einem astronomischen Aufwand würdigt: [link] Das sollte bezüglich Intention und Budget nicht mit einer Privatinitiative wie dem Puch-Museum verwechselt werden.

Ganz und gar nicht oder aber extrem original: Ein Unikat auf Basis von Puch Fahrrad- und Moped-Teilen
Magna baut zwar Autos, ist aber mit keiner eigenen Automarke auf dem Markt präsent, hat also, wie ich annehme, puncto Werksgeschichte andere Prioritäten als etwa Audi, Porsche oder Mercedes-Benz, die sich in ihren Gedenkstätten natürlich konsequent selbst darstellen.
Dort, im Porsche-Museum, bleibt natürlich kein Staub liegen, schon gar nicht in den Waschräumen, dort blitzt alles und ist wohl geordnet, kuratiert, katalogisiert… Das ist etwas völlig anderes als die Halle P des vormaligen Einser-Werkes.
Das Johann Puch-Museum Graz ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Kräfte. Angelpunkt ist ein Trägerverein, der diese Kräfte koordiniert. Doch die Ausstellungsstücke sind nicht im Besitz des Vereins. Sie sind Leihgaben von Liebhabern, Enthusiasten, letztlich auch von Leuten wie Herrn Votruba. Und sie sind Leihgaben von Firmen, wie unter anderem Magna Steyr.
Das bedeutet, im Museum kann nur das gezeigt werden, was diese Liebhaber und Firmen gerade zur Verfügung stellen. Wie angedeutet, wenn das zum Beispiel eine verbastelte Monza ist, dann repräsentiert dieses Artefakt zwar nicht die Werksgeschichte, aber ein Stück Sozialgeschichte und Lebensrealität jener Zeit. Das sind zwei grundverschiedene Themen und Aufgabenstellungen.
So gesehen steht das Johann Puch-Museum eher in der Tradition der „Wunderkammern“ und Privatsammlungen. Die haben freilich eine kulturgeschichtlich weit längere Tradition als jener Museumstyp, in dem kuratiert, geordnet und katalogisiert wird.

Zusätzlich die Aura-Frage: Auf welchem der Artefakte ruhte tatsächlich die Hand des Altmeisters und was lag nur zufällig dort herum?
Das sind also zwei kultur- und sozialgeschichtlich grundverschiedene Konzepte von Depots und Ausstellungen. Das Konzept des Johann Puch-Museums ist das einer permanenten Veränderung entlang aktueller Debatten und Leidenschaften, entlang verfügbarer Preziosen und Liebhaberstücke.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Dieser Tage hatte ich eine sehr anregende Plauderei mit dem Techniker Kurt Engeljehringer, der bei AVL List im Bereich der Schadstoffreduktion tätig ist. Er besitzt einen Ford Model T.
Ich fragte ihn, ob die „Tin Lizzy“ gemeinsam mit der Puch Voiturette gezeigt werden könnte, damit anschaulich würde, welche Entwicklung die Automobilkonstruktion in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm, wenn genau NICHT bestehende Kutschen motorisiert, sondern „artgerechte“ Fahrwerke entwickelt wurden.

Gemeinderat Peter Piffl-Perčević (links) und Techniker Kurt Engeljehringer bei einer Debatte von Provenienzfragen
Engeljehringer stimmte zu und ich werde ihn jetzt gewiß nicht fragen, ob sein Ford völlig unverbastelt ist, denn dieser Aspekt interessiert mich für das spezielle Vorhaben nicht. Wenn es also im Museum zu dieser konkreten Zusammenschau kommen wird, wendet sich das nicht primär an Puristen.
Aber mir leuchtet natürlich ein, insgesamt verstehe ich die Votruba-Vorhaltungen vor allem als Empfehlung, sich beim Beschildern der Ausstellungsstücke um möglichste Stichhaltigkeit zu bemühen. Und das darf vom Publikum selbstverständlich erwartet werden.
— [Die Debatte] —