So lautet der Titel des Internationalen Museumstages 2014, der weltweit am 18. Mai zelebriert wird. Er trifft einige sehr interessante Punkte. Es gibt kuriose Deutungen, was uns Menschen zum Sammeln bewegt. Einige davon führen in stammesgeschichtliche Dimensionen zurück, denn bevor unsere Spezies seßhaft wurde, waren wir… Genau! Jäger und Sammler.
Universalmuseum Joanneum
Was kann und soll das Museum?
Ich nehme an, Wolfgang Votruba, der Obmann des “Steyr-Puch Fahrzeuge Club Erlauftal“, ist ein engagierter Mann, dessen Emotionen am Thema hängen. Ich möchte daher als wohlgemeinten Ratschlag deuten, was wie eine Rüge klingt. Sein Kommentar zu unserer Einladung bezüglich Wiedereröffnung des Grazer Museums bietet neben den harschen Sätzen auch anregende Überlegungen. Die Quelle: [link]
Sein erster Satz läßt mich vermuten, daß vielleicht ein grundlegendes Mißverständnis besteht. „Ich hoffe, dass es im ‚neuen’ Museum nur Originalstücke (Zweiräder) und keine ‚umgebauten, nie existierenden Monza-Modelle’, wie zuletzt, gibt.“
Warum denn nur Originalstücke? Wer, wie ich, 1956 geboren wurde, weiß natürlich, daß wir uns zuerst die Daisies, dann die MC, die M50 Cross und Racing oder was immer wir in die Hände bekamen, umgebaut haben. Wir wollten alte Fahrzeuge „moderner“ aussehen lassen, wir wollten Serienfahrzeuge individualisieren, um einen möglichst unverkennbaren Auftritt zu haben, wir reagierten auch auf Modetrends. Beispiel: MC50 mit „Sternenbanner“- Tankbemalung, Sitzlehne und dickem Hinterrad als Referenz an den Film „Easy Rider“.
Wir wollten in den 1970ern die Mopeds schneller machen oder auf jeden Fall schneller aussehen lassen. Das wird später bei den Youngsters auf Monzas und Cobras kaum anders gewesen sein.
Was soll nun ein Museum zeigen? Zeitgeist und Zeitgeschichte oder Werksgeschichte am Beispiel von Originalfahrzeugen? Beides ist interessant. Suchen Sie in unserer aktuellen Ausstellung jene MC50 II, die originaler nicht sein könnte, da werden Sie staunen. Aber mir würde es auch sehr gefallen, daneben eine „Easy Rider-MC“ zu sehen, denn das ist ein Stück meiner Jugendzeit.
Votruba schreibt:
„Als ‚das’ Steyr Puch Museum und noch dazu an so einem historischen Platz, hat man als Besucher (und vor allem PUCHFAN) eine sehr hohe Erwartungshaltung!“
Das verstehe ich gut. Und würde uns Votrubas Verein auch noch das nötige Millionenbudget beschaffen, es ließe sich ein Stab von Historikern, Kuratoren und Technikern engagieren, es ließen sich auch einige marktkundige Agenten bezahlen, die sich in der Welt laufend umsehen, um Lücken in der Sammlung zu schließen.
So könnte ein Museumsbetrieb nach den Regeln entstehen, wie bei einem Universalmuseum Joanneum [link] oder einem Technischen Museum Wien [link] … inklusive Putztrupps, Hauselektriker, Nachtwächter etc.
Aber wollte das hier eigentlich jemand?
Votruba weiter:
“Das müsste doch auch im Interesse des heutigen Magna Konzern sein, stolz auf die Vergangenheit zu sein. Sichtlich zumindest bisher, vermute ich aber leider das Gegenteil.“
Da liegt offenbar eine Verwechslung vor. Magna Steyr unterstützt dieses Projekt großzügig, aber dies ist kein Werksmuseum von Magna Steyr.
Denken Sie etwa an das Porsche-Museum in Stuttgart, wo eine höchst erfolgreiche Automarke die eigene Geschichte mit einem astronomischen Aufwand würdigt: [link] Das sollte bezüglich Intention und Budget nicht mit einer Privatinitiative wie dem Puch-Museum verwechselt werden.

Ganz und gar nicht oder aber extrem original: Ein Unikat auf Basis von Puch Fahrrad- und Moped-Teilen
Magna baut zwar Autos, ist aber mit keiner eigenen Automarke auf dem Markt präsent, hat also, wie ich annehme, puncto Werksgeschichte andere Prioritäten als etwa Audi, Porsche oder Mercedes-Benz, die sich in ihren Gedenkstätten natürlich konsequent selbst darstellen.
Dort, im Porsche-Museum, bleibt natürlich kein Staub liegen, schon gar nicht in den Waschräumen, dort blitzt alles und ist wohl geordnet, kuratiert, katalogisiert… Das ist etwas völlig anderes als die Halle P des vormaligen Einser-Werkes.
Das Johann Puch-Museum Graz ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Kräfte. Angelpunkt ist ein Trägerverein, der diese Kräfte koordiniert. Doch die Ausstellungsstücke sind nicht im Besitz des Vereins. Sie sind Leihgaben von Liebhabern, Enthusiasten, letztlich auch von Leuten wie Herrn Votruba. Und sie sind Leihgaben von Firmen, wie unter anderem Magna Steyr.
Das bedeutet, im Museum kann nur das gezeigt werden, was diese Liebhaber und Firmen gerade zur Verfügung stellen. Wie angedeutet, wenn das zum Beispiel eine verbastelte Monza ist, dann repräsentiert dieses Artefakt zwar nicht die Werksgeschichte, aber ein Stück Sozialgeschichte und Lebensrealität jener Zeit. Das sind zwei grundverschiedene Themen und Aufgabenstellungen.
So gesehen steht das Johann Puch-Museum eher in der Tradition der „Wunderkammern“ und Privatsammlungen. Die haben freilich eine kulturgeschichtlich weit längere Tradition als jener Museumstyp, in dem kuratiert, geordnet und katalogisiert wird.

Zusätzlich die Aura-Frage: Auf welchem der Artefakte ruhte tatsächlich die Hand des Altmeisters und was lag nur zufällig dort herum?
Das sind also zwei kultur- und sozialgeschichtlich grundverschiedene Konzepte von Depots und Ausstellungen. Das Konzept des Johann Puch-Museums ist das einer permanenten Veränderung entlang aktueller Debatten und Leidenschaften, entlang verfügbarer Preziosen und Liebhaberstücke.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Dieser Tage hatte ich eine sehr anregende Plauderei mit dem Techniker Kurt Engeljehringer, der bei AVL List im Bereich der Schadstoffreduktion tätig ist. Er besitzt einen Ford Model T.
Ich fragte ihn, ob die „Tin Lizzy“ gemeinsam mit der Puch Voiturette gezeigt werden könnte, damit anschaulich würde, welche Entwicklung die Automobilkonstruktion in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm, wenn genau NICHT bestehende Kutschen motorisiert, sondern „artgerechte“ Fahrwerke entwickelt wurden.

Gemeinderat Peter Piffl-Perčević (links) und Techniker Kurt Engeljehringer bei einer Debatte von Provenienzfragen
Engeljehringer stimmte zu und ich werde ihn jetzt gewiß nicht fragen, ob sein Ford völlig unverbastelt ist, denn dieser Aspekt interessiert mich für das spezielle Vorhaben nicht. Wenn es also im Museum zu dieser konkreten Zusammenschau kommen wird, wendet sich das nicht primär an Puristen.
Aber mir leuchtet natürlich ein, insgesamt verstehe ich die Votruba-Vorhaltungen vor allem als Empfehlung, sich beim Beschildern der Ausstellungsstücke um möglichste Stichhaltigkeit zu bemühen. Und das darf vom Publikum selbstverständlich erwartet werden.
— [Die Debatte] —
Warum sammeln? Warum ein Museum?
Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, läßt sich schwer klären, wer wir sind. Wenn wir nicht wissen, wer wir sind, bleibt reichlich unscharf, wohin es gehen soll. Zugegeben, das Puch-Museum ist keine philosophische Fakultät, also werde ich derlei Überlegungen nun auf einen Teilaspekt hinführen, der im Hause greifbar ist.
In „Was das Pucherl bedeutet“ [link] habe ich schon knapp skizziert, daß das Automobil diese Gesellschaft völlig verändert hat. Grundlegend! Es ist nicht bloß Gebrauchsgegenstand, sondern auch Fetisch. (Unter Fetisch versteht man einen toten Gegenstand, der von Menschen mit besonderer Bedeutung aufgeladen wird.)
Das Auto hat technische und soziokulturelle Vorbedingungen, die sehr wesentlich in der Fahrradwelt zu finden sind, aber auch in ganz anderen Bereichen, wie etwa der Produktion von Schreibmaschinen und Nähmaschinen. Know how, Materialkenntnis, Mobilitätserfahrungen, Findigkeit in Produktionsweisen…
Das bedeutet, in recht kurzer Zeit, in rund 150 Jahren, haben wir technisch, wirtschaftlich und kulturell höchst komplexe gesellschaftliche Veränderungsprozesse durchlaufen, wie sie in jener Dichte und Geschwindigkeit vollkommen neu waren. Das brachte auch eine weitreichende Beschleunigung unser aller Leben mit sich, die teilweise höchst fatale Konsequenzen hat.
Wir wissen längst, daß eine Gesellschaft WISSEN und KOMPETENZEN sehr leicht verlieren kann, wenn man manche Dinge gerade nicht braucht und wenn man sich um erworbene Kenntnisse nicht kümmert. Daß wir solchen Fragen auch begegnen, indem wir Sammlungen anlegen, uns Museen leisten, ist ein kulturgeschichtlich sehr junges Phänomen.
Was einst die Wunderkammern und Privatsammlungen der „alten Eliten“ waren, ist der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen. Mit Frankreichs Louvre [link] im 18. Jahrhundert, mit dem steirischen Joanneum (heute: Universalmuseum Joanneum) [link] im frühen 19. Jahrhundert kennen wir zwei sehr markante Beispiele, wie einerseits altes Wissen geordnet und gepflegt, andrerseits neues Wissen beschafft und archiviert wird.
Wissensgewinn und -erhalt braucht ohne Zweifel Institutionen. Aber das sind sehr kostenintensive Projekte. Daher stehen sie auch permanent zur Debatte und werden gelegentlich massiv angefochten. Brauchen wir das alles? Soll es so oder so gemacht werden? Wer muß und wer kann das bezahlen? Wie können Hauptamt und Ehrenamt fruchtbar kombiniert werden? Was hat der Staat zu leisten und wofür hat sich die Zivilgesellschaft zuständig zu fühlen?
Sie sehen, zur laufenden Arbeit am Bestand des Museums kommen auch stets derlei grundlegende Fragen. Was meinen Sie dazu?