Voiturette

Auswärts: Gleisdorf

Der „TIP-Kirta“ in Gleisdorf ergab den Anlaß für Gottfried Lagler, seine Freunde und sein Team vom „Oldtimerstammtisch Figaro“ zusammenzurufen. Prompt war eine bemerkenswerte Schau zu sehen, die vom riesigen Vorkriegs-Rover (1920) über Fords der 1920er/30er-Jahre bis zu Spitfires, Capris und allerhand luftgekühlten Boxern reichte. (Zweizylinder- und Vierzylinder-Boxer, also Pucherln und VW.)

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Wem gehört das Johann Puch-Museum?

Wenn sie die „Halle P“ betreten („P“ steht für „Pinzgauer“, also für eine Kategorie jenseits von Pionier Johann Puch), dann erleben sie eine zeitgemäße Kombination von privater Initiative, staatlicher Förderung und Sponsoring aus der heimischen Wirtschaft.

Das Johann Puch-Museum ist Ausdruck jenes „Bottom up-Prinzips“, wie es oft erwähnt, aber noch eher selten praktiziert wird. Das hat mit der Idee von „Bürgerbeteiligung“ zu tun, was in diesem Fall bedeutet:
+) Die Initiative geht von Privatpersonen aus,
+) ein gemeinnütziger Verein hat die Trägerschaft,
+) Konzept und Umsetzung sind von einer Art,
+) daß der Staat das Vorhaben mitträgt,
+) hier vor allem die Stadt Graz und das Land Steiermark,
+) das Ergebnis dieser Bemühungen überzeugt auch Geschäftsleute,
+) so daß etwa Magna Steyr und andere als Sponsoren aktiv werden.

Die Hauptleistungen zur Existenz des Museums erfolgen im Ehrenamt, das heißt, die unbezahlte Arbeit engagierter Menschen ist ein wichtiges Fundament des Hauses.

Die Puch Voiturette ist eine Leihgabe von Magna Steyr

So ergibt sich in Summe eine Einrichtung, welche der Zeitgeschichte und der Mobilitätsgeschichte gewidmet ist. Angelpunkt dieser Darstellungen ist die historische Persönlichkeit Johann Puch. So zeigen sich ganz spezielle Bezugspunkte zur Steiermark, zugleich eine internationale Relevanz; und zwar gleichermaßen der historischen Dimensionen wie der Gegenwart.

Das meint: Was hier geleistet wurde, hat nun rund hundert Jahre weit über die Landesgrenzen hinaus Wirkung gezeigt und Bedeutung erlangt.

Das ist übrigens so faszinierend an der Symbolfigur Johann Puch. Er hat zwar keine zwanzig Jahre des vorigen Jahrhunderts erlebt, welches zum Jahrhundert der Volksmobilität wurde, aber sein Tun war so grundlegend und folgenreich, daß landläufig auch die Folgeprojekte mit ihm assoziiert werden.

Weder die Steyr-Daimler-Puch AG noch Magna Steyr stehen in direkter Verbindung mit dem Altmeister, doch sie schreiben gewissermaßen in die Gegenwart fort, was er verkörpert hat.

Zur Trägerschaft des Museums sehen Sie bitte das Impressum nach: [link] Die dort angeführte ZVR-Zahl 924111394 verweist auf das öffentliche Zentralregister des Innenministeriums, wo man sich jederzeit über den Status quo informieren kann: [link]

Luchscheider, Graz

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Fahrräder auf mehreren Sinnebenen einen intensiven Zusammenhang haben? Könnten Sie sich heute im Graz des späten 19. Jahrhunderts umsehen, würde Ihnen auffallen, daß etliche Geschäfte mindestens zwei dieser Güter im gleichen Laden anbieten.

Daher war auch naheliegend, daß etliche dieser Häuser über Werkstätten verfügten, in denen die laufende Wartung von Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Fahrrädern möglich war. Die Geräte und Werkzeuge dazu, aber auch das feinmechanische Geschick ist für alle gleichermaßen anwendbar und notwendig gewesen.

So ein Geschäft war die Firma Luchscheider. Das hat im Kern mit unseren Geschichten zu tun. Der tatendurstige und hoch begabte Handwerker Johann Puch war 1882 für seinen Militärdienst zum „Schweren Artillerieregiment Nr. 6“ nach Graz „assentiert“ worden. Seine Versetzung zum Artillerie-Ergänzungsdepot brachte ihm sehr wahrscheinlich Erfahrungen mit den Fahrrädern von Offizieren ein.

Das waren wohl vorerst noch Hochräder, von denen Puch schließlich nicht sehr viel hielt, weshalb es zu den niederen und stabileren „Safeties“ tendierte, die in Österreich gerade erst aufkamen. England war in jenen Tagen als Land der Fahrradproduktion dominant.

Im Jahr 1887 trat Puch als Werkführer in die Fahrradschlosserei von Luchscheider ein. Diesen Posten hatte er, bevor er bei Fahradfabrikant Benedict Albl an Bord ging, wo er wohl auch erste konkrete Berührungspunkte mit Grundlagen des Automobilbaus fand.

Der „Albl Phönix“ [link] von 1902 ist eine für diese Zeit typische Voiturette. Zur Erinnerung, Puch hatte seine erste Voiturette im Jahr 1900 am Schloßberg erproben lassen.

Die Firma Luchscheider [link] war in den Tagen Johann Puchs ihrerseits ein noch junges Unternehmen. 1880 gegründet, auf Nähmaschinen und Fahrräder spezialisiert. Dieser Betrieb besteht immer noch, ist heute in der fünften Generation erfolgreich. Es sind nach wie vor Nähmaschinen, aber auch Gartengeräte (Mäher etc.) und Haushaltsroboter, mit denen Nachfahre Martin Luchscheider handelt. Er war so freundlich uns einige Fotos aus dem Familienarchiv für diese Website zu überlassen.

Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Fahrräder. Textilien, Texturen, Text und Mobilität, also geistige Beweglichkeit und individuelle Bewegungsfreiheit, Sie ahnen schon, da sind die Sinnzusammenhänge nicht nur technischer Natur.

Tageslosung: Hochglanz

In den letzten Tagen hab ich erstmals begriffen, was „Museum“ AUCH bedeutet: putzen. Endlos putzen. In diesem Fall Autos putzen, Motorräder und Mopeds putzen, Fahrräder putzen. Ich hab es am Schreibtsich sehr viel leichter. Da will zwar auch gelegentlich geputzt werden, aber das hält sich doch sehr in Grenzen.

Rangiert wird von Hand und in Handschuhen: Der Alpenwagen

Gestern kamen die bedeutendsten Leihgaben von Magna Steyr in der „Halle P“ an, die Voiturette und der „Alpenwagen“. Es gibt sensationellere Stücke von Magna; etwa die Karosse des neuen Flügeltürers (SLS) oder ein Aston Martin-Häusel. Aber die alten Fahrzeuge sind so rar, da muß man die Gelegenheit schon nutzen, sonst sind sie lange nicht mehr öffentlich zu sehen. Und sie tragen eine Bedeutung in der Automobilgeschichte, das wird noch ausführlicher zu erzählen sein.

Danach werden die Fahrzeuge zur Entlastung der Räder aufgebockt: Die Voiturette

Auf jeden Fall, ich hab es an anderer Stelle schon erwähnt, der „Alpenwagen“ wurde hier, in eben dieser Halle gebaut; da fehlen jetzt bloß noch zwei Jahre auf den Hunderter. Das ist ja genau genommen ein atemberaubender Zeitraum. Was wissen wir denn über Menschen, die hier vor hundert Jahren gearbeitet, gelebt haben? Was bewegte sie? Was dachten sie? Wir wissen nichts. Wir können bloß an solchen Artefakten sehen, WAS sie gemacht haben…

Menschliche Fingerabdrücke haften enorm; sehr zum Leidwesen von Übeltätern. Hat man sie auf Hochglanzfotos, gehen sie nur mehr mit der Drahtbürste weg, anders nicht. Messing, Lackflächen, glatte Hölzer… Voiturette und „Alpenwagen“ werden also bloß mit Samthandschuhen angefaßt. Sonst geht die Putzerei gleich wieder von vorne los.

Nach dem Kombi muß man sich schon umsehen: Steyr-Puch 700

Doch auch weniger prominente Fahrzeuge haben ihren Reiz. Wie oft bekommen Sie denn einen 700er zu sehen? Der Puch-Kombi taucht im Alltag kaum noch auf und ist auch bei Klassiker-Treffen seltener als die Ferraris oder Jaguare. (Das Verhältnis XK 150 zu Puch 700 wird wohl kaum unter 10 zu 1 kommen.)

Weizer Crew sucht die Voiturette von 1900

Ich traf Karl Haar das erste Mal vor Jahren, als ich in Weiz einigen Runden mit jenem elektrifizierten 2CV drehen durfte, den eine Projektgruppe der dortigen HTBLA frisch auf die Räder gestellt hatte. Es war ein Spaß, diese „Elektro-Ente“ zu fahren. Es ist eine Freude gewesen, das Kräftespiel der Emotionen jener Schülerinnen und Schüler zu erleben, denen diese Arbeit gelungen war.

Ich traf Karl Haar zuletzt vor einigen Wochen bei der „Apfelblütenfahrt“, die übrigens von einem Puchianer koordiniert wird, vom Gastwirt Gottfried Lagler, der ein vormaliges Polizei-Pucherl fährt: [link]

Nun erreichte mich aus Südtirol eine ziemlich sensationelle Nachricht. Haar ist einerseits mit seinen Leuten auf der Suche nach der verschollenen Puch Voiturette von 1900. Er hat andrerseits vor, das Fahrzeug mit seinem Team nachzubauen.

Bitte Daumen drücken, daß sich etwas finden läßt!

Dieses Unterfangen hat interessante technische Aspekte, denn wir kommen oft zu bewegenden Erfahrungen, wenn wir uns frühe technologische Lösungen erschließen. Andrerseits würde die Weizer Crew ein Stück Mobilitätsgeschichte made in Styria greifbar machen, das eine Bedeutung hat, die weit über unsere Region hinausreicht.

Karl Haar zum Stand der Dinge:
„Ob es die Voiturette noch gibt ist noch nicht klar. Wahrscheinlich wurde eine Ewigkeit lang nach dem falschen Mann gesucht. Der Käufer dürfte nicht Guido Monchen, sondern Guido Moncher sein. Guido Moncher ist ein berühmter italienischer Flugzeugpionier und stammt aus Trient. Also Ort und Zeit passen.“

Es ist aber so oder so klar, selbst wenn die Suche erfolglos bliebe, wäre es mehr als bewegend, die erste Puch’sche Voiturette wenigstens als Replika vor sich stehen zu sehen. Bilder und Modelle geben zwar einen Eindruck, was etwas gewesen ist, doch sie reichen selbstverständlich nicht an 1:1-Artefakte heran. Drücken wir den Leuten also die Daumen!

+) Wer hat Informationen? [link]
+) Die HTBLA Weiz [link]

— [Fahrzeuge] —

Fahrzeug: Puch Voiturette von 1906

Das allererste Automobil von Johann Puch, die Voiturette von 1900, habe ich hier schon gezeigt; auf der einleitenden Seite zum Altmeister: [link] Es war eine zarte, eigenständige Konstruktion von erstaunlicher Leistungskraft.

Die Puch Voiturette von 1906

Wenige Jahre danach hatte sich Puch als Automobilproduzent auf dem Markt etabliert. Ein Fahrzeug aus jenen Tagen ist heute im Besitz von Magna Steyr und wird auch immer wieder im Museum gezeigt. Ein rares Stück.

Zur Erläuterung für jene, denen die Hintergründe nicht ganz geläufig sind: Im Verlauf eines ganzen Jahrhunderts hat es ein bewegtes Kräftespiel in der Automobilbranche gegeben. Was mit drei eigenständigen Firmen begann, nämlich mit Steyr, Austro-Daimler und Puch, mündete nach Jahrzehnten in die Steyr-Daimler-Puch AG, die schließlich von Magna übernommen wurde. Magna Steyr repräsentiert die Kontinuität und Gegenwart dieser lebhaften Geschichte.

Die (1907er) Basis der Voiturette

Während die Voiturette von 1900 ein Unikat war, baute Puch kurz darauf in Kleinserien. Ich habe in der „Allgemeinen Automobil-Zeitung“ vom März 1907 die Abbildung eines Chassis entdecket, das dort aufrecht auf der Nase stehend gezeigt wird. (Hier hab ich das Bild um 190 Grad gekippt.)

Man erkennt sehr gut dieses grundlegende Layout, das noch Jahrzehnte dominieren sollte und in klarer Distanz zu motorisierten Kutschen stand. Das moderne Automobil war in seinen Grundzügen also damals schon präsent. Hier nicht die Entwickung eines Ingenieuers, der sein Diplom in der Tasche hatte, sondern eines hochbegabten und unermüdlichen Handwerkers.

— [Fahrzeuge] —

Was das Pucherl bedeutet

Was separat als Austro-Daimler, Steyr und Puch begann, entfaltete über rund ein Jahrhundert eine sehr komplexe Geschichte der Verflechtungen, Erweiterungen, Fusionen, Auflösungen, Umgestaltungen. Das moderne Automobil ist seit etwa 1900 da und zeigte sich in vielen Variationen. Heute repräsentiert Magna Steyr diese Konzerngeschichte.

Ein Bild aus dem Jahr 1910. Fließbandproduktion gab es bei uns erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch Johann Puch trat in jenem Jahr 1900 erstmals als Automobilbauer auf die Bühne der Wirtschaft: [link] Das war kein Probieren und Herumstümpern, sondern der zielgerichtete Start zu einer eigenen Erfolgsgeschichte. Fünf, sechs Jahre später ist die Sache vorzüglich in Schuß, die Voiturette aus jener Zeit ist ein Meilenstein österreichischer Mobilitätsgeschichte. 1910 ist Puch ein Automobilproduzent, den die Konkurrenz quer durch Europa ernst nehmen muß.

So wurden 1910 Autos gebaut.

Nach seinem Tod erschüttert der Erste Weltkrieg den Kontinent, das Puchwerk ist vor allem im Lastwagenbau gefordert. In der Zwischenkriegszeit herrscht allerhand Not, außerdem ist die Mittelschicht weitgehend finanziell ruiniert (Kriegsanleihen etc.). Das heißt, der Automobilismus findet noch kein Massenpublikum.

Der Altmeister erlebte diese Zeit nicht mehr: Ein Inserta von 1916.

Das hat sich auch in den 1930er- und 1940er-Jahren nicht geändert. Was da an Autos auf unseren Straßen fuhr, ist zum geringsten Teil in persönlichem Privatbesitz gewesen, es dominierten Firmen- und Behördenfahrzeuge.

Erst nach 1945 setzt sich in Europa die Fließbandproduktion durch und kommen Auto-Konstruktionen auf den Markt, die eine preiswerte Massenfertigung möglich machen. Dadurch beginnt jene Massenmotorisierung, welche dem „Puch-Schammerl“ seinen besonderen Stellenwert gibt. Endlich konnten sich Leute ein „richtiges Auto“ leisten, die davor nicht einmal träumen durften, einen eigenen Wagen zu besitzen.

Was in den 1960ern solides Familienfahrzeug war, wurde oft in den 1970ern von jungen Leuten als gebrauchtes Erstauto gesucht und verlor dabei auch leicht die Originallackierung.

In den 1970ern, als jemand wie ich den ersehnten Führerschein in Händen hielt, waren die Pucherln als preiswerte Gebrauchtwagen zu haben. Da hatte ich zuvor aber schon auf Fahrrädern und Mopeds von Puch erlebt, was man an individueller Mobilität schätzen konnte. So steht das Pucherl zeitlich, technisch, ökonomisch und emotional an der Schwelle einer „Automobilgesellschaft“, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte.